„Solche Geschichten schreibt nur der Sport“, behaupte ich. Alleine für diesen Satz müssten eigentlich schon mehr als die angestammten 3-Euro in das berüchtigte „Phrasenschwein“ des Fußball-Talks „Doppelpass“ eingezahlt werden. Zum Glück meine ich aber keinen Vorfall aus dem Fußball, es geht um Wintersport. Genauer gesagt um Skispringen.
Den Österreicher Thomas Diethart kannten bis kurz vor Weihnachten nicht mal eingefleischte Skisprungfans oder Experten. Seit gestern ist der 21-jährige Gewinner der prestigeträchtigen Vier-Schanzen-Tournee und hat wohl auch sein Olympia-Ticket so gut wie sicher.
Der TV-Experte Toni Innauer ging sogar noch einen Schritt weiter als ich: „So etwas gibt es nur im Skispringen“ Dietharts Landsmann ahnte vielleicht bereits nach dem Auftaktspringen der Tournee in Oberstdorf, dass dies gerade der Anfang einer ganz besonderen Geschichte war. „Man kann nur staunen und sich wundern, warum das plötzlich in so einer Dimension abgeht“, machte aber auch er direkt deutlich, dass die Leistung dieses jungen Mannes nicht so einfach zu erklären sei.
Diethart hatte wenige Minuten vor Inhauers Aussage das Springen in Oberstdorf für sich entschieden und dabei die komplette Weltspitze zum Auftakt des wichtigsten Wettkampfes im Skisprung-Sport düpiert und das als ein Springer, der eigentlich gar nicht für die Tournee eingeplant war.
Sein Weltcupdebüt im letzten Springen vor Weihnachten im Schweizer Engelberg ging ein glücklicher Umstand voraus. Michael Hayböck und Manuel Poppinger waren zwei besser platzierte Österreicher im sogenannten Kontinentalcup, der zweiten Liga des Skispringens.
Diese beiden aber mussten im Kontinentalcup bleiben, weil sie dort durch einen Gesamtsieg dem österreichischen Team einen weiteren Platz im Weltcup erspringen sollten. Der nur drittbeste Österreicher Thomas Diethart aber bekam einen der freien Weltcupplätze für Engelberg – Thomas Morgenstern fiel verletzt aus – und sprang prompt auf die Plätze vier und sechs. Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner beließ ihn daraufhin im Aufgebot für die nach Weihnachten beginnende Tournee. Der Beginn einer der größten Leistungsexplosionen in der Sportgeschichte. Ein ungewöhnlicher Weg, der zu seinem kompletten Werdegang passt.
Diethart stammt aus Niederösterreich. Dort gibt es keine hohen Berge und erst recht keine Skisprungschanzen. Um seinem Hobby nachzugehen, fahren ihn seine Eltern mehrmals in der Woche in das 180 Kilometer entfernte oberösterreichische Hinzenbach. Am Wochenende standen regelmäßig Lehrgänge an. Übernachtet wurde dann entweder in einer kleinen Hütte oder im Auto.
Später ging es für den Jugendlichen in das Skigymnasium Stams. Einer seiner damaligen Coaches ist der heutige norwegische Nationaltrainer Alexander Stöckl. „Ein ziemlich außergewöhnlicher junge, sehr begabt, koordinativ und turnerisch top“, erinnert sich dieser. Nur die Schulnoten waren selten so gut, wie seine sportlichen Anlagen und so musste er nach knapp vier Jahren die ÖSV-Kaderschmiede verlassen. Auch die 75 Zentimeter die Thomas Diethart aus dem Stand hochspringen kann, was kein Athlet aus dem A-Kader im Stande zu leisten vermag, ändern zu diesem Zeitpunkt nichts an der Entscheidung. „Aber die, die nicht die Einfachsten sind, entpuppen sich später halt oft als die Besten“, gab Stöckl unlängst zu Protokoll.
Fortan waren Vater und Sohn Diethart auf sich alleine gestellt. Material und Trainingskosten stellten einen erheblichen finanziellen und logistischen Aufwand dar. Den Anschluss an die starke österreichische Spitze zu schaffen, so nahezu unmöglich.
Im Sommer 2013 schloss er dann seine Ausbildung zum Industriekaufmann erfolgreich ab und wechselte prompt in die Sportförderkompanie des Österreichischen Bundesheeres.
Mit den ausgezeichneten Anlagen entwickelte sich eine ganz neue Eigendynamik. Es folgten gute Leistungen im B-Kader. Seine erste, wenn auch glückliche Chance, nutzte Diethart wie kein anderer zuvor. „Es ist der Wahnsinn. Ich habe das alles so genossen. Für mich ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, sagte der frischgebackene Tourneesieger, nachdem er dem Druck beim letzten Sprung mit 140 Metern souverän stand gehalten hatte. Als wäre er schon ewig im Kreis der ganz großen dabei.
„Momente , die für absolute Gänsehaut gesorgt haben“, meinte dann auch der Bundestrainer Alexander Pointner nach der unglaublichen Leistung des Newcomers. Seinen Vater hatte er ohnehin schon beim Auftakt in Oberstdorf fast zu Tränen gerührt. Sein Schützling selbst sagt einfach nur. „Ich habe gemerkt, dass wenn ich den Kopf ausschalte, das Springen von ganz allein klappt.“
Eine einfache Aussage, die vielleicht zumindest ein kleines bisschen erklärt, warum solche Geschichten nur der Sport schreibt. Oder nur der Skisprungsport. Entschuldigen Sie Herr Innauer.
Nu ja, so ganz aus dem Nichts kam er ja nun wirklich nicht. Er hatte nur vorher wohl eine andere Einstellung zu seinem Job und hat wohl durch irgendein Ereignis nochmal die Kurve gekratzt.
Bei manchen Leute geht es dann ganz bergab, aber er hat es positiv umgesetzt und daraus profitiert!