Der Tischtennisweltverband (ITTF) kämpft seit jeher um internationale mediale Anerkennung. Deswegen hat die ITTF schon öfter die Spielregeln verändert, um etwa das Spielgeschehen für das Fernsehen und ein breiteres Publikum interessanter zu gestalten. Gefruchtet hat das selten. Vergangenen Sonntag hat der chinesische Ausnahmespieler Zhang Jike nach seinem knappen Finalerfolg beim World Cup in Düsseldorf mit einem äußerst emotionalen Jubel für eine nie dargewesene internationale Berichterstattung gesorgt, die es sonst nicht mal während Olympischer Spiele gibt. Als Dank hat ihm die ITTF knapp 50.000 Dollar Siegprämie gestrichen.

 

FOTO: ITTF

Eine mit fast 5.000 Zuschauern gut gefüllte Halle im ISS Dome in Düsseldorf beim World Cup, einer Live-Übertragung des Sportsenders Eurosport und ein Sieben-Satz-Krimi zwischen zwei der momentan besten und gleichzeitig athletischsten Tischtennis-Spielern unserer Zeit, Ma Long und Zhang Jike. Das sind die Momente, die Tischtennisfans auf der ganzen Welt genießen. Eine, wenn auch nur kurze, mediale Aufmerksamkeit für den Sport, den so viele Menschen lieben und den noch viel mehr Menschen unterschätzen.
Deswegen war es ein Genuss, dass die beiden Chinesen sich während der Live-Übertragung im Finale des World Cups gegenseitig an ihr Limit pushten. Im Entscheidungssatz zauberten die Akteure einige Ballwechsel auf den Tisch, bei denen selbst absolute Laien die herausragende Leistung  erkannten und anerkannten. Alle Beobachter dachten insgeheim: Mehr geht für diesen Sport eigentlich nicht…

…Doch es kam anders: Als der  amtierende Weltmeister und Olympiasieger Zhang Jike seinen dritten Matchball in der Verlängerung des siebten Satzes mit einem variantenreichen Aufschlag verwandelte und sich so erneut den World Cup sicherte, schallte weder der übliche Siegeschrei aus dem extrovertierten Chinesen heraus, noch riss er sich das Trikot vom Leib. Stattdessen drehte er sich, wie in Trance, um und trabte Richtung Ende der Spielerbox.
Dort zerstörte er mit einem Kongfutritt die Umrandungen und ließ mit  einem lauten Schrei all seinen Emotionen freien Lauf. Und auch die Banden auf der anderen Seite waren  vor dem Ausnahmekünstler nicht sicher und gingen in der Folge zu Bruch.
Die Zuschauer in der Halle tobten, es gab nur vereinzelt Pfiffe gegen Zhang. Sein Trikot, das er auf die Ränge warf, war heiß begehrt. Es waren Emotionen zu sehen, die dieser Sportart – die den Ruf als „Gentlemansport“ genießt – so oft abgehen und die in der Vergangenheit fehlten. Ein einmaliger Abschluss der Übertragung.

 

B

So sahen die Banden nach Zhang Jikes Jubel aus / Foto: privat

Nur knapp drei Stunden nach dem Spiel dann eine Entscheidung des Weltverbandes, die bei vielen Tischtennifans Kopfschütteln und Unverständnis hervorgerufen hat:
Zhang Jike erhält kein Preisgeld als Bestrafung für die Zerstörung der Umrandungen der Spielerbox. Das wären knapp 50000 U.S. Dollar gewesen. Im Tischtennis eine echte Hausmarke.
Klar ist: Die Reaktion von Zhang Jike war überzogen und nicht gerade vorbildlich für die vielen Kids, die auf den Rängen und an den Bildschirmen mitgefiebert hatten. Angemessen wäre aber  gewesen, Zhang Jike hätte die Banden und eine vierstellige Geldstrafe zahlen und sich entschuldigen müssen, so, wie er es ohnehin schon getan hat. Die ausgesprochene Stafe dagegen ist inakzeptabel. Der Tischtennissport verbietet den Athleten sowieso schon jegliche Art von Emotionen und weil er nach so einem Finale die Banden kaputttritt, das Preisgeld komplett zu streichen, steht in keinem Verhältnis zu der Aktion.

Jeder, der weiß, wie psyschich und mental anstrengend diese Spielsituationen sind, kann diese Emotionen ein wenig einzuschätzen. Gerade Zhang Jike wurde vor dem Turnier von seinem Nationaltrainer im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016 öffentlich angezählt und stand unter einem immensen Druck. Das dieser sich nach so einem Herzschlagfinale entlädt, ist irgendwo verständlich und gehört zum Spitzensport dazu. Gerade wenn man die Aktion und die verhältnismäßig hohe Strafe mit anderen Sportarten vergleicht, kommt man relativ schnell zu dem Entschluss: Der Verband macht sich und den Weltcupzirkus lächerlich!

Emotionen gehören nämlich zum Spitzensport dazu. Egal ob das der U.S. Sport ist, der Fußball, Tennis oder die Formel 1 – überall gibt es Hitzköpfe, Emotionen und Situationen, bei denen mit dem ein oder anderen Sportler schon mal die Pferde durchgehen.
Und sind wir mal ehrlich: Diese Sportler und diese Momente lieben wir doch so am Sport, oder? Das sehen im Übrigen die großen, ausländischen Medien ähnlich. Die machen sich größtenteils über die unangemessene Strafe lächerlich. Eine Zusammenstellung der internationalen Pressestimmen gibt es bei den Kollegen von „Tabletennista“ HIER.

Am Ende des  World Cups, dem drittgrößten Tischtennisturnier nach Olympischen Spielen und der Weltmeisterschaft, bleibt die Erkenntnis, dass die ITTF jegliche Emotionen im Keim ersticken zu versucht. Damit erhält sie sich zwar zwanghaft das Image als „Gentlemansport“. Im  Kampf um mediale Aufmerksamkeit und Sendezeiten wird sie mit dieser Linie auf Dauer gegenüber anderen Sportarten untergehen. Da können sie noch so viel an den Regeln ändern.

HIER gibt es Zhang Jikes Jubel im Video:
HIER geht es zur FB-Seite der ITTF:
HIER gibt es das Finale zwischen Ma Long und Zhang Jike:
HIER gibt es die besten Ballwechsel des World Cup: