Ganz zum Schluss gab es dann doch noch ein kleines Zuschauerhighlight: Nach seinem verwandelten Matchball gegen den Hagener Borna Kovac schlug Maberzells Ersatzmann Thomas Keinath vor Freude ein etwas verunglücktes Rad in der Spielerbox und sorgte so in der Fuldaer Hubtex-Arena am Ende eines überaus einseitigen Spiels nochmals für den ein oder anderen Lacher auf Seiten von Spielern, Trainern und Zuschauern.
Es war der 28. November, gut anderthalb Wochen ist das nun her, als sich das Team von Sport24-Fieber nach langer Zeit mal wieder ein Spiel der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) live vor Ort angeschaut hat. Doch die Partie des TTC Fulda-Maberzell gegen den TTC Hagen war am Tisch noch langweiliger und eine noch deutlichere Angelegenheit als es die Papierform ohnehin bereits erahnen hätte lassen können. Ohne ihren schwedischen Shootingstar Anton Källberg waren die Gäste chancenlos, die Maberzeller konnten es sich sogar erlauben, Wang Xi wegen einer leichten Zerrung zu schonen.
Somit sahen wir bei unserem TTBL-Saisondebüt leider keines der beiden Teams in Bestbesetzung. Die Partie dauerte nur etwas mehr als eine Stunde – inklusive der 15-minütigen Pause nach dem zweiten Einzel versteht sich. Für zehn überwiegend klare Sätze haben wir pro Person dafür ganze 12 Euro Eintritt gezahlt. Nicht falsch verstehen: Wir sind keine Pfennigpfuchser und würden auch mehr Geld für eine interessante Begegnung bezahlen. Aber auch, wenn ein so kurzes Match in Deutschlands Eliteliga nicht die Regel ist, hat es zum einen gezeigt, dass es TTBL-Spiele gibt, die Zuschauer nicht in ihren Bann ziehen. Zum Anderen wurden deutliche Schwächen des Spielsystems aufgedeckt. Kein Wunder also, dass wir trotz Keini’s Rad nach dem Spiel etwas ernüchtert nach Hause fuhren und uns bei den Gedankenspielen erwischten: „Wären wir doch mal besser am Weihnachtsmarkt geblieben“.

Tiefpunkt erreicht: Nur noch magere 392 Fans pro TTBL-Begegnung

Ein genauerer Blick auf den TTBL-Zuschauerschnitt im Saisonvergleich der vergangenen Jahre verrät, dass immer mehr Fans am Weihnachtsmarkt oder zu Hause bleiben wollen, anstatt sich die deutsche Eliteliga live in den Hallen der Republik anzusehen.
Lag der Zuschauerschnitt der TTBL in der Saison 2008/09 noch bei 586 Besuchern, so kamen in der aktuellen Vorrunde 2015/16 nur 392 Zuschauer zu den Partien. Dies entspricht einem satten Minus von gut 33 Prozent. Dieser Rückgang ist die Konsequenz eines längeren Prozesses. 2009/10 blieben die Zahlen mit 588 noch konstant. Die Liga profitierte vor allem von Spielen wie Fulda gegen den ehemaligen Bundesligaverein aus Hanau (2300 Zuschauer) oder Düsseldorf gegen Saarbrücken (2900 Zuschauer), die extra in größere Hallen verlegt und als Großevent aufgezogen wurden. In den beiden darauffolgenden Spielzeiten sank das Interesse auf 506 bzw. 491 Zuschauer pro Partie. Gesteigerte Zahlen der Spielzeit 2012/13 (564 Zuschauer) sind damit zu erklären, dass nur neun Teams, nach der Winterpause sogar nur noch acht Mannschaften, um den Titel kämpften. Die kleinen, unattraktiven Teams, die den Schnitt nach unten drückten, fielen weg.
Eine Spielzeit später – nun wieder mit zehn Teams – waren durchschnittlich 472 Zuschauer anwesend. Vergangene Saison konnte nur dank des Mega-Events und Rekordspiels „Hamburg tischt auf“ zwischen Düsseldorf und Maberzell, bei dem 5492 Zuschauer gezählt wurden, ein weiterer deutlicher Rückgang verhindert werden. So waren es am Ende 483 Zuschauer pro Spiel. Ohne die Großveranstaltung in der O2-World wäre der Schnitt deutlich unter die Vorjahresmarke gefallen. Ihren negativen Höhepunkt erreichte die TTBL dann in der aktuellen Vorrunde: Ein mageres Zuschauerinteresse von 392 Fans pro Spiel. Jedes halbwegs spannendere Gruppenliga-Fußballspiel kann zahlenmäßig dagegenhalten.

Dieser Rückgang sollte die Verantwortlichen nachdenklich stimmen. Mittlerweile werden alle Matches der Liga im Internet per Livestream übertragen. Dies ist auch ein richtiger Schritt. Der Öffentlichkeit ist es aber nicht ersichtlich, wie hoch die Klickzahlen sind, die dabei generiert werden. Auch wenn sie zufriedenstellend sein sollten, darf kein Zuschauerrückgang in den Hallen die Folge sein. Darunter leidet nicht nur die Stimmung in der Halle, sondern auch das Image der Liga und des Tischtennissports. Die Sportler, die uns Spieltag für Spieltag Tischtennis der Extraklasse bieten, haben es verdient, in besser gefüllten Hallen zu agieren. Lieber ein paar Leute mehr vor Ort, die anfeuern und einem Bundesliga-Spiel ein würdiges Ambiente verleihen als ein Vielfaches mehr vor dem PC oder Tablet.

Wo sind die Publikumslieblinge?

Wie bereits im Artikel „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Die Tischtennis Europameisterschaft in den Medien“ erwähnt, besitzt Tischtennis nicht die Charakteristika, um eine Top-Zuschauersportart zu werden. Jedoch muss man sich im Spitzenbereich angesichts eines solchen Rückgangs des Interesses schon fragen, wie man die Besucherzahlen optimieren kann. Das Live-Erlebnis „TTBL“ scheint kontinuierlich an Reiz zu verlieren. Doch woran liegt das und wie können Verantwortliche die Zuschauer wieder in die Hallen locken?
Zunächst fällt das Spielerpotential der Liga ins Auge: Sportfans sind immer auf der Suche nach Publikumslieblingen, nach Sportlern, die Massen anziehen. Früher waren es vor allem Altstars wie Persson und Waldner, die Zuschauer mit ihrer Aura und ihren Geniestreichen in den Bann zogen. Heutzutage ist es Timo Boll, der die Fans begeistert. Doch der Düsseldorfer hat immer öfter mit Verletzungen zu kämpfen und wird darüber hinaus zeitweise geschont. Fans wissen oft vor Spielen nicht, ob er wirklich für seine Borussia aufschlägt oder nur anreist, um Autogramme zu schreiben. Zudem bereichert er schon so lange die TTBL, dass ihn wohl jeder Tischtennis-Interessierte mindestens einmal live gesehen hat. Boll ist immer noch der Star der Liga, aber kein großer Zuschauermagnet mehr.
Weitere Top-Spieler der TTBL, wie Apolonia, Wang Xi oder Gacina spielen schon mehrere Jahre in der TTBL. Vereinswechsel finden vor allem innerhalb der Liga statt. Trotz des weiterhin tollen Sports, den die Spieler bieten, geht der Reiz der Eliteliga damit etwas verloren. Top-Chinesen oder ein Dima Ovtcharov würden der TTBL personell deutlich mehr Glanz verleihen; klar ist aber auch, dass den Vereinen für eine solche Verpflichtung die finanziellen Mittel fehlen.
Deutlich mehr Einflussmöglichkeiten als auf das Spielerpotential haben die Verantwortlichen auf eine Modifizierung des Systems. Hierbei muss das Thema Playoffs ganz oben auf der Agenda stehen. Lediglich einmal in den vergangenen vier Jahren ist das Team auch Meister geworden, das am Ende der regulären Runde auf Platz eins stand. Denn nicht der konstanteste Verein, der über eine ganze Saison lang die Liga dominiert, wird Deutscher Meister. Um deutscher Tischtennis-Meister zu werden reicht ein durchschnittliches bis solides Jahr samt zwei, drei guten Tagen in Top-Besetzung, um in die Playoffs zu gelangen und diese zu dominieren.

Playoffs haben fatale Folgen für die Fairness

Ohne die Finalspiele am Saisonende wäre die Liga im Moment so spannend wie nie. Saarbrücken, Ochsenhausen und Fulda-Maberzell führen die TTBL vor Düsseldorf an. Direkte Duelle dieser drei Teams wären absolute Topspiele der Saison, die die Herzen der Tischtennis-Fans höherschlagen lassen würden.
Vergangenen Sonntag war Ochsenhausen in Fulda zu Gast. Dies hätte ein solches Match sein können: voller Spannung, richtungsweisend in Sachen Titelgewinn. Doch dank der Playoff-Regelung hat das Ergebnis keinerlei Relevanz: Beide Teams werden aller Voraussicht nach die Playoff-Runde erreichen. Ob sie die Saison nun als Erster, Zweiter oder Dritter abschließen, ist egal, denn in den Playoffs werden die Karten sowieso neu gemischt.
Doch halt, egal ist das nicht: Wenn sich das Düsseldorfer Lazarett in der Rückrunde wie erwartet lichtet, dann wird sich die Borussia, angeführt von Timo Boll, locker in die Playoffs spielen. Aber im Moment sieht es eher nach Rang vier aus. Das würde bedeuten, dass man keinem der drei jetzigen Spitzenteams raten kann, die reguläre Runde als Bester abzuschließen, da dann schon im Halbfinale Boll & Co. warten könnten. Eine absurde Situation und Konstellation also, die jeglichem Verständnis eines gesunden sportlichen Wettkampfes widerstrebt!

Sowas kann in Zukunft nur durch eine Abschaffung des Play-Off-Systems verhindert werden. Ein gesteigertes Zuschauerinteresse und die damit verbundene Werbung für den Tischtennissport bei den fünf Play-Off-Spielen kann bei weitem nicht den damit einhergehenden Spannungs- und Geltungsverlust der übrigen 90 TTBL-Partien aufwiegen. Zudem sind solche hoch stilisierten Großevents wie das TTBL Finale zwar mit mehreren tausend Leuten in riesigen Arenen gut besucht, jedoch gehen damit auch eine Menge Marketinggelder und sonstige Kosten einher. Aufwand und Ertrag scheinen hier nicht zu stimmen, denn nachhaltig sind diese Events nicht. Bereits in den vergangenen Spielzeiten wurden punktuell TTBL-Spiele in großen Arenen ausgetragen. Doch eine langfristige Steigerung des Zuschauerinteresses an der TTBL ist nicht zu erkennen.
Ein Vergleich mit anderen Sportarten, die auch auf die Playoff-Regelung setzen, verbietet sich. Zum einen spielen die Teams etwa im Eishockey oder Basketball schon ab den Viertelfinals nicht nur ein Hin- und Rückspiel gegeneinander, sondern im sogenannten „Best-of-5“ oder „Best-of-7 Modus“, was die Fairness deutlich erhöht. Zum anderen reden wir hier von „echten“ Mannschaftssportarten. Die Teams müssen sich in der regulären Saison einspielen, die perfekte Taktik finden und können somit ihren Stars keine ausgedehnten Schonzeiten erlauben. Im Einzelsport Tischtennis hat eine Schonung bei voraussichtlicher Playoff-Teilnahme keinerlei negativen Auswirkungen auf die Leistung in den Playoffs. Die Benachteiligten sind die Zuschauer sowie das Ligaimage, wenn die letzten Partien der regulären Saison, die eigentlich die meiste Spannung bieten sollen, ohne die Besten und nur noch im Schatten der anstehenden Play-Offs stattfinden.

Lösungsansätze: Alle Spiele durchspielen und Wiedereinführung des Doppels

Ein weiteres Problem für die Fans ist die variable Dauer eines TTBL Matches. Um die Nachmittags- oder Abendplanung der Zuschauer zu vereinfachen, sollte auch über eine Veränderung des Spielsystems nachgedacht werden. Im Moment kann der Fan kaum abschätzen, ob er oder sie, wie bei Maberzell gegen Hagen, nach etwas mehr als einer Stunde die Halle wieder verlässt oder Teil eines vierstündigen Thrillers wird.
Ein Ansatz könnte sein, alle angesetzten Partien, auch auszutragen. So verringert sich die Spieldauervarianz und die Zuschauer bekommen mit Sicherheit fünf Matches geboten. Auch, wenn in diesem Fall der Sieger nach drei Partien schon feststehen kann, kommt den übrigen Paarungen noch eine gewisse Bedeutung zu. Denn ohne das Playoff-System kann auch das Spielverhältnis über die Meisterschaft entscheiden. So würden die Akteure auch beim Stand von 4:0 oder 0:4 noch um den Sieg kämpfen und den Zuschauern tollen Sport bieten. Auch eine größere Wertschätzung der Einzelwertungen, etwa durch Preisgelder oder sogar Weltranglistenpunkte könnte die Spannung der Matches steigern.
Darüber hinaus wäre eine Wiedereinführung des Doppels eine denkbare Option. Es würde eine willkommene Abwechslung für Zuschauer darstellen und die Vielseitigkeit des Sports betonen. Außenseiter-Teams, die öfter zusammen trainieren, könnten von einer Doppeleinführung profitieren und durch gute Harmonie den Favoriten Punkte abjagen. Schließlich würde das Doppel den Teamgedanken forcieren und die TTBL wieder ein Stück weit mehr als Teamwettkampf wahrgenommen werden. Denn zu einem Mannschaftserfolg gehört auch in gewisser Weise eine Präsentation und die nötige Teamchemie, die im jetzigen System, bei dem sich lediglich die Punkte von gespielten Einzeln zum Teamerfolg addieren, völlig fehlen.

Die Änderungen im Spielsystem könnten auch dafür genutzt werden, um die Wettbewerbe Pokal und Liga voneinander abzugrenzen. Denn bekanntlich hat der Pokal seine eigenen Gesetze. Doch das spezielle Pokalflair kann nicht aufkommen, wenn das Spielsystem in der Liga dem im Pokalwettbewerb komplett gleicht. Auch hier sind Reformen denkbar, um den „Kleinen“ bessere Möglichkeiten zu geben, die Spitzenteams ärgern zu können. Neben der Renaissance des Doppels könnte über ein Regelwerk nachgedacht werden, das jedem Akteur höchstens ein Einzel zugesteht und damit der Mannschaftsleistung gegenüber einem einzelnen Starspieler mehr Bedeutung verleihen würde.

Das Event siegt über sportliche Relevanz

Die Basis ist jedoch, dass die Verantwortlichen erkennen, dass das jetzige System der TTBL – auch in Verbindung mit dem Pokal – erhebliche Schwächen in puncto Zuschauerattraktivität und Fairness aufweist. Bisher liegt der Fokus auf zwei großen Jahresevents: Das Pokal Final-Four und das TTBL-Finale. Diese Veranstaltungen werden mit großem Tamtam beworben und künstlich zu Großveranstaltungen hochgepusht. Besser wäre es, sich auf eine Reform zur Steigerung der Attraktivität „normaler“ Ligaspiele zu konzentrieren. Dafür kann auch auf das große TTBL-Finale verzichtet werden. Zumal es den Schlusspunkt einer Ligasaison darstellt, in der auf eine Art und Weise der Meister gekürt wird, die gegen das Selbstverständnis eines fairen Ligensystems spricht. Hier siegt das Event über sportliche Relevanz. Alle anderen Ligaspiele der Saison, seien es auch sogenannte „Spitzenspiele“, erscheinen nur als Randnotiz und sind es in diesem System leider auch. Das ist nicht im Sinne der Zuschauer, der Sportler und des Sports allgemein.

Der Status Quo muss möglichst bald verändert werden, um nicht auch noch die treuesten Fans der TTBL zu vergraulen und sich als Eliteliga des Tischtennis weiter ins Abseits der Öffentlichkeit und des Live-Zuschauerinteresses zu spielen. Die Matches dürfen nicht in ein Muster gezwängt werden, in das sie überhaupt nicht hineinpassen. Pokalspiele müssen ihren eigenen Reiz haben und als solche erkennbar sein. Jedes einzelne Ligaspiel muss seine Bedeutung haben. Es darf unter keinen Umständen „taktisch“ besser sein ein Ligaspiel zu verlieren, um dann im Playoff-Halbfinale auf einen leichteren Gegner zu treffen. Dies ist nicht im Sinne des Sports. Es müssen so schnell wie möglich Reformen her! Dann entscheiden auch wir uns mal wieder für ein Tischtennis-Bundesliga-Match auf allerhöchstem Niveau und gegen einen Glühwein am Weihnachtsmarkt.