Fast genau vier Wochen ist es jetzt her, als Steffen Mengel sein „erstes Mal“ hatte. Der 25-jährige, der bei den German Open in Magdeburg ohnehin schon groß aufgespielt hatte, schlug im Achtelfinale mit dem topgesetzten EX-Weltmeister Wang Hao einen der Top-Chinesen! „Ein echtes Karriere-Highlight“, gab er damals strahlend zu Protokoll.
Da wusste Mengel noch nicht, dass er heute Nacht ein größeres Highlight erleben würde dürfen. Ein weiteres „erstes Mal“ sozusagen. Er vertrat sein Land erstmals bei einer Team-WM. Im Eröffnungsspiel gegen Singapur holte er den entscheidenden dritten Punkt gegen den Weltranglisten-259. Chew Zhe Yu Clarence. Doch der Reihe nach:
Das Besiegen eines Sportlers aus dem Reich der Mitte ist in vielen anderen Sportarten nicht unbedingt ein Nachweis für Weltklasse. Im Tischtennis kommt so ein Sieg allerdings einem Ritterschlag gleich. Bisher durchdrang die chinesische Dominanz in der schnellsten Rückschlagsportart der Welt aus deutscher Sicht nur Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov, das in letzter Zeit – zugegeben – auch äußerst selten.
Das Magdeburger Publikum rieb sich nun verwundert die Augen. Dass Mengel Top-Niveau erreichen kann, dürfte den Tischtennis-Fans spätestens seit dem Final-Erfolg über Boll bei den deutschen Meisterschaften 2013 zwar klar gewesen sein. Aber einen Wang Hao schlagen und beim deutschen Weltcup ins Halbfinale vorpreschen?
Damit dürfte er auch Bundestrainer Jörg Roßkopf überrascht haben, der ihn kurz zuvor, wohl auch wegen seiner durchschnittlichen Bundesliga-Bilanz, nicht für die Team-Weltmeisterschaft in Japan nominiert hatte.
Dass er jetzt; einen Monat später, trotzdem beim wichtigsten Tischtennis-Event des Jahres dabei sein darf, hat er zwar zum einen der verletzungsbedingten Absage von Bastian Steger(Bauchmuskelzerrung) zu verdanken, zum anderen aber eben jenem Ausrufezeichen, dass er in Magdeburg gesetzt hatte. Sonst wäre wohl eher Abwehrspezialist Ruwen Filus nachgerückt. Nachdem auch noch Patrick Baum erkrankt zunächst in Deutschland bleiben musste, ist Mengel plötzlich aber mittendrin im Spielgeschehen. Roßkopf nominierte etwas überraschend ihn, anstelle des aufstrebenden Patrick Franziska an Position Drei. Franziska hatte im vergangenen Herbst bei der Team-EM noch den Stammspieler gegeben.
Klar, wer den Modus der Team-WM kennt, weiß, dass die Nominierung keine Vorentscheidung gewesen ist. Bei fünf Vorrunden Gegnern und der folgenden K.O. Runde muss der Bundestrainer gerade bei seinem derzeit dezimierten Team die Rotation ausrufen. Dennoch war die Aufstellung gegen Singapur ein Fingerzeig: „Steffen ist in einer guten Form und spielt gut gegen Linkshänder, deshalb habe ich ihn heute aufgestellt“, erklärte ‚Rossi‘ seine Entscheidung. „Wenn Patrick Baum nicht mehr kommt, müssen Steffen und Patrick Franziska viel spielen und da kann es auch durchaus mal passieren, dass sie nicht auf der dritten Position, sondern weiter oben aufgestellt werden.“, erklärte er mögliche taktische Varianten
Zum Auftakt waren es eben Ovtcharov; Boll und Mengel. Drei Spieler, die Chinesen schlagen können und das auch schon bewiesen haben. Welches andere Land kann solch eine Aufstellung präsentieren? Vielleicht hat Roßkopf auch bewusst etwas die Muskeln spielen lassen. Getreu dem Motto: Seht her, liebe Konkurrenz; allen voran China. Das sind drei Spieler, die euch an einem Sahnetag besiegen können. Der Gedanke an ein spannendes Finale, oder gar einem Machtwechsel lässt Tischtennisherzen in der Regel schneller schlagen, doch soweit sind wir längst noch nicht.
Momentan sind es eher noch die üblichen Problem, die jedes große Event mit sich bringt. Hallo liebe Medien, ihr seid gemeint:
Aufwachen und berichten, die Sportfans wollen gefüttert werden!!! Fakt ist nämlich, dass die Team WM in Tokyo heute gestartet ist – und es wieder mal kaum einer hierzulande mitbekommt!!! Und das, obwohl das deutsche Team vielleicht noch nie so stark war, wie dieses Jahr.
Im Vorfeld darüber etwas erfahren, habe ich in den überregionalen Berichterstattungen jedenfalls nicht. Ihr? Man kann sich glücklich schätzen, wenn man mitbekommt, dass es heute Nacht losgegangen ist. Kleines Beispiel gefällig?
Sky Sport News HD, dass wirklich sonst breit aufgestellt ist, hat die WM noch nicht einmal im Ansatz erwähnt. Spox.de, Kicker.de und und und, kein Wort. Die FAZ hat darauf zumindest hingewiesen.
Live-Bilder im TV gibt’s nur auf dem Spartensender Eurosport und dies auch erst ab der K.O.-Runde am Wochenende. Wer vorher etwas sehen will, der muss sich mit dem Webstream des internationalen Tischtennisverbandes ITTF beschäftigen, abrufbar unter http://www.ittf.com/itTV/.
Dort konnte man, dank der Zeitverschiebung, heute Nacht um 3 Uhr MEZ das erste Vorrundenspiel des deutschen Teams live und in voller Länge verfolgen. Wer das tat, sah einen recht fitten Timo Boll, der scheinbar nicht mehr viel mit seiner Rückenverletzung zu kämpfen hat. Zumindest schlägt man den Weltranglisten 14. Gao Ning nicht mal eben mit halber Kraft 3:1 zum Auftakt. Deutschlands neue Nummer eins, Dimitrij Ovtcharov gab sich danach gegen die Nummer 75 Yang gewohnt kampfstark und lies Singapurs Nummer Zwei mit druckvollen Topspin-Schlägen keine Chance.
Mengel vollendete, wie bereits erwähnt, den souveränen Auftakterfolg, gegen einen guten Gegner. „Es war natürlich schon eine gewisse Anspannung da, schließlich ist das mein erstes großes Mannschaftsturnier“, erklärte Mengel. „Aber mit einem 2:0 im Rücken und der Gewissheit, dass wir mit Dima und Timo zwei Granaten in der Mannschaft haben, konnte ich da mit einem guten Gefühl reingehen.“, sagte der Debütant gegenüber www.mytischtennis.de .
Diese Fachpresse kann man wie immer nur wärmstens empfehlen. Bereits im Vorfeld sehr informierend, sind sie vor Ort in Tokyo präsent und bringen stets aktuell die neuesten Ergebnisse, berichten aber auch rund um die WM sehr angenehm. Über dieses Portal konnte man auch von der ersten Überraschung des Turniers erfahren. Die Hoffnungen der einheimischen Fans haben nämlich einen ersten Dämpfer erhalten. Denn Japans Herren haben gegen Griechenland, um Altmeister Kalinikos Kreanga und den Abwehrspezialisten Panagiotis Gionis mit 2:3 verloren. Mehr dazu und den anderen Spielen unter:
Steffen Mengel indes, wird sich vielleicht wie in einem schönem Traum vorkommen, sicherlich wird er das alles sehr genießen und wer weiß. Vielleich hat er am Montag, wenn das Finale vorbei ist, erneut ein „erstes Mal“ und eine Team-Medaille umhängen. Wenn es nach den deutschen Fans geht, möglichst eine goldene.