Die Zuschauer in der Frankfurter Fraport-Arena rieben sich verwundert die Augen. Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber betraten an jenem Davis Cup-Samstag den Tennis-Court, um gemeinsam(!) die spanischen Doppel-Weltmeister Fernando Verdasco und David Marrero herauszufordern.
Ein genialer Schachzug von Teamchef Carsten Arriens. Der 45-jährige hatte es scheinbar mühelos geschafft, persönliche Eitelkeiten hintenanzustellen und die Streithähne zu versöhnen. So wurden Kräfte zweier Top-Einzelspieler gebündelt, die nicht nur die knapp 5000 Zuschauer überraschten. Auch die Süd-Europäer hatten nicht wirklich mit dieser Aufstellung gerechnet, vor allem Doppelspezialist Marrero wirkte überfordert. Das Duo Haas/Kohlschreiber holte so bereits am Samstag den dritten Punkt für das deutsche Davis Cup Team.
Viertelfinale erreicht, Relegation vermieden, Frankreich vor der Brust und die erfolgshungrigen deutschen Fans begeistert. Das deutsche Tennis schien kräftig im Aufwind:
Knapp zwei Monate später ist davon rein gar nichts mehr übrig geblieben, die Außendarstellung des Davis Cup Teams nur noch eine einzige Farce. Die Ich-AG´S haben wieder übernommen, Carsten Arriens hatte diesen zu großen Egos nichts entgegenzusetzen.
Zu der Viertelfinal-Begegnung in Frankreich, hat er eine Truppe voller No-Names nominiert. Die Wahrscheinlichkeit auf ein Weiterkommen gegen topbesetzte Franzosen( Richard Gasquet, Jo-Wilfried Tsonga, Gael Monfills), geht gegen null, die Chance auf ein mögliches Davis Cup Halbfinale einfach weggeworfen.
Arriens selbst sagte diese Woche, die vier jetzt Nominierten seien „jüngere Spieler, mit Potenzial nach oben und voller Ehrgeiz und Motivation, im Davis Cup für Deutschland zu spielen“. Haas sei für die Zukunft keine Option mehr und auch bei Kohlschreiber und Mayer sei die Zukunft eher fraglich, so Arriens.
Doch woher kommt diese plötzliche Erkenntnis, nicht mehr auf ältere Spieler setzten zu wollen. Dass Haas nicht mehr der Jüngste ist, zudem verletzungsanfällig und auch Kohlschreiber und Mayer bereits 30 Jahre alt sind, ist nicht erst seit dieser Woche bekannt.
Es ist die endgültige Einsicht des Teamchefs, dass diese Charaktere nicht in ein Team passen, dass persönliche Interessen(oder die des jeweiligen Managements) stets vor den schwarz-rot-goldenen Interessen stehen.
Carsten Arriens war nahe dran, die drei derzeit besten Einzelspieler zum Team zu formen, mit der „verlorenen Generation“ doch noch einen nicht für möglich gehaltenen Erfolg zu feiern. Letztlich ist aber auch er gescheitert. Gescheitert an den „Verweigerern von Frankfurt“
Doch kann man ihm überhaupt einen Vorwurf machen, dass er seine drei besten Akteure, die in den ersten zwei Tagen davor gemeinsam Spanien besiegt hatten, nicht dazu bewegen kann, zu den bedeutungslosen Einzeln an jenem Davis Cup Wochenende in Frankfurt anzutreten?
Dass die Halle mit 5000 Leuten, zahlende Kundschaft, restlos ausverkauft war, für die Tennis-Profis wohl nur eine Randnotiz. Alle drei hatten ein Attest eines unabhängigen ITF-Arzt vorgelegt – Haas und Kohlschreiber vier Tage später beim ATP-Turnier in Zagreb aufgeschlagen. Arriens und nicht die Spieler selbst, musste den Verzicht bekannt geben
Die Zuschauer tobten, ein großer Imageschaden für den deutschen Tennis Bund die Folge.
Von der überragenden Leistung des Wochenendes sprach in der Folge niemand mehr. Die Medien warfen sich wie Raubtiere auf die „Verweigerer“. Ein gefundenes Fressen für jene Nörgler, die das deutsche Tennis in den letzten Jahren kritisiert haben.
Doch nicht nur die Medien, auch verschiedene Tennis-Landesverbände kochten vor Wut. Haas und Co. sollten für die Viertelfinal-Begegnung gegen Frankreich nicht nominiert werden, hieß es in verschiedenen Stellungnamen.
Doch Arriens wurde aber erst gar nicht zu Maßnahmen gezwungen. Die Absagenflut ließ in den letzten zwei Wochen nicht lange auf sich warten. Florian Mayer(Schambein), Tommy Haas(Schulter) und Philipp Kohlschreiber(Handgelenk), sagten alle innerhalb von wenigen Tagen ab. Wie schwer oder glaubwürdig die einzelnen Absagen sind, kann jeder selbst für sich entscheiden.
Klar ist aber, dass Carsten Arriens aufgegeben hat, das unmögliche möglich zu machen. Zu groß sind die Egos, zu unterschiedlich die Interessen der Manager. Ein größerer Davis Cup Erfolg ist damit in weite Ferne gerückt. Anständige TV-Sendezeiten damit auch.
Es bleibt den jungen Spielern um Jan-Lennart Struff nur zu wünschen, dass sie sich nächstes Wochenende(4-6.April) achtbar aus der Affäre ziehen.
Carsten Arriens wird die deutschen Tennis-Fans dann wohl nicht mit einer neuerlichen Doppel-Überraschung aufhorschen lassen, aber er sagt: „Es wird darum gehen, sich Respekt zu erspielen. Und ich hoffe, dass sie sich alle so präsentieren, dass am Ende viele sagen werden: Die haben das in Frankreich ja viel besser gemacht, als ich das erwartet hätte.“