Ganze 77 statt die bisher üblichen 55 Pfund soll ein Hauptribünenplatz ab der kommenden Saison an der Anfield Road, der Heimspielstätte des FC Liverpool, kosten. Anlass genug für die Fans dieses traditionsreichen Premiere-League-Clubs einen äußerst medienwirksamen Protest am Samstagnachmittag zu vollziehen.
Passend zur Preiserhöhung verließen zahlreiche Liverpoolanhänger das Stadium an der Anfield Road am Samstagnachmittag beim Spiel gegen den FC Sunderland bereits in der 77. Minute. Zu diesem Protest hatte der angesehene Fanklub „The Spion Kop 1906“ aufgerufen. Der stimmungsvolle Abgang wurde untermalt von Transparenten mit der Aufschrift „Liebt das Team – hasst die Preise“. Der Zuschlag für die renovierte Haupttribüne war den Fans bereits länger übel aufgestoßen. Gestern bündelten und kanalisierten die Fans ihre Kräfte.
Dass diese Kräfte nicht zu unterschätzen sind, zeigte der restliche Spielverlauf. Das Spiel kippte, die Elf von Liverpool verspielte in nur 13 Minuten eine 2:0 Führung. 77 Minuten lang hatte Liverpool alles im Griff. Dann ließ Torhüter Simon Mignolet einen haltbaren Freistoß zum 1:2 durch Adam Johnson rein (82). Durch das Verschwinden der Anhänger wirkte eines der stimmungsvollsten Stadien Europas leb und emotionslos – kann ein Stadion orientierungslos wirken? Ohne Fans scheinbar schon. Hier gibt es nochmal alle Highlights der Partie im Video:
Unstrittig jedenfalls, dass sich die Spieler auf dem Rasen davon beeindrucken ließen. Jürgen Klopp, der wegen einer Blinddarmentzündung fehlte, musste vom Krankenbett aus mit ansehen, wie sein Team noch den Ausgleich durch Routinier Jermaine Defoe kassierte. „Liebt das Team – hasst die Preise“ lautete das Motto gestern. Und auch wenn die emotionalen Anhänger sehr wahrscheinlich den Ausgleich durch Defoe mit ähnlichen Gefühlen aufgenommen haben, so können sie zumindest ihren Protest als erfolgreichen Test verbuchen. Fußball ohne Fans ist nicht vorstellbar – besonders nicht an der Anfield Road.
Anspruchsvolles deutsches Duell zwischen Can und Kirchhoff
Rein sportlich gab es gestern vor allem aus deutscher Sicht etwas zu berichten: Das Mittelfeldduell zweier Ehemaliger des FC Bayern München – Emre Can und Jan Kirchhoff. Etwas überraschend agierten beide im zentralen Mittelfeld ihrer Teams. Die Interpretation ihrer Position hätte aber unterschiedlicher nicht sein können. Während Can als Sechser in Liverpools 4-3-3 die meiste Zeit den Spielaufbau der „Reds“ organisierte und nahezu an allen Angriffsbemühungen beteiligt war, war Kirchhoff im 4-1-4-1 der Gäste als Mann vor der Abwehr vor allem mit Löcherstopfen beschäftigt.
Die Statistiken wiesen am Ende mehr als 120 Ballkontakte für den deutschen Nationalspieler auf. Kirchhoff hatte keine 30, agierte aber sehr effektiv in den Zweikämpfen, stopfte Löcher und konnte den Ball einige Male umsichtig weiter spielen, kein Vergleich zu seinen bisherigen Auftritten. Bei seiner Auswechslung in der 66. Minute bedachten ihn die Gästefans mit aufmunterndem Applaus. Den erhielt Can trotz ordentlicher Leistung knapp 30 Minuten später nicht. Zu enttäuschend hallte der Ausgleichstreffer nach – und – zu wenig Zuschauer waren noch auf ihren Plätzen…