Dass sich Deutsche Athleten in den Eiskanälen dieser Welt wohlfühlen, ist längst kein Geheimnis mehr. Bobfahrer und Rennrodler sind Garanten für Plätze ganz oben auf dem Siegerpodest – egal ob im Weltcup, bei der WM, oder Olympia. Die Pilotinnen und Piloten der dritten Eiskanalsportart hinkten im Vergleich bislang oft hinterher. Doch eine Athletin sorgt diesen Winter dafür, dass dieses Gefüge ordentlich durcheinandergewirbelt wird. Am Wochenende wurde sie erstmals Einzelweltmeisterin. Getreu ihrer Devise: „No risk, no fun“ stürzt sie sich aber, anders als ihre erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen, bäuchlings und mit dem Kopf voran die Eisrinne hinunter.
Der Sonneberger Felix Loch gewann im Rennrodel-Einsitzer sowohl in Vancouver als auch in Sotschi die Goldmedaille bei olympischen Winterspielen. Bei den Damen kamen die letzten fünf Olympiasiegerinnen aus Deutschland, während gar 15 der letzten 16 Weltmeistertitel im Einzel in schwarz-rot-goldenen Farben glänzten.
Umso lauter und eindringlicher hallt am Sonntagnachmittag der Jubelschrei Tina Hermanns durch den Zielbereich der Rennrodelbahn in Innsbruck/Igls. Nach dem Motto: Seht her, hier sind wir mutigen Skeletonis – wir können auch Titel holen. Gerade ist die 23-Jährige zum ersten Mal in ihrer Karriere Weltmeisterin geworden – die jüngste Einzel-Titelträgerin überhaupt in der noch vergleichsweise jungen Historie ihrer Sportart. Und auch wenn es wahrscheinlich „nur“ eine Mischung aus purer Freude und immenser Anspannung ist, die Tina Hermann erstmal loswerden muss. Dieser Erfolg stellt nicht nur den vorläufigen Karrierehöhepunkt der Bischofswiesenerin dar. Der Titel ist die logische Konsequenz ihrer rasanten und kontinuierlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren.
Tina Hermanns entscheidender Lauf zum Weltmeistertitel
In ihrer Jugend widmete sich Hermann zunächst dem alpinen Skisport, bevor sie im Alter von 15 durch Bekannte auf Skeleton umsattelte. Bereits drei Jahre später feierte sie mit dem Titel bei den Junioren-Weltmeisterschaften ihren ersten großen internationalen Erfolg. In den Saisons 2010/2011 und 2011/2012 sicherte sie sich dann bei den Damen den Gesamtsieg im Europacup, vor zwei Jahren holte Hermann den Titel in der Gesamtwertung des Interkontinentalcups (dem Unterbau des Weltcups).
Titel in erst zweiter Weltcupsaison
Erst in der vergangenen Saison debütierte Hermann, die für den WSV Königssee an den Start geht, in der Königsklasse, dem Weltcup und erreichte dort umgehend ihre ersten Podestplätze. In der aktuellen Saison hielt diese positive Entwicklung weiter an: Die ersten Weltcupsiege, der erste deutsche Meistertitel im Einzel, die Führung im Gesamtweltcup und schließlich die Krönung am Wochenende zur Weltmeisterin in Innsbruck.
Einen großen Anteil an diesen hervorragenden Fortschritten hat vor allem ihr Trainer Dirk Matschenz: „Ohne ihn würde ich hier jetzt nicht stehen. Er hat mich immer aufgebaut und aus Tiefs rausgeholt. Er ist der Allerbeste. Es ist Wahnsinn. Ich danke ihm für alles“, sagte die überwältigte Titelträgerin nach ihrem Triumph in der ARD.
Wenn es nach Macher Matschenz geht, ist der WM-Titel seines Schützlings erst der Anfang. „Sie ist noch längst nicht am Ende ihrer Entwicklung“, urteilt der 36- Jährige angesichts der erst zweiten Weltcupsaison und des jungen Alters der Weltmeisterin. „Wenn man ihren Karriereverlauf beobachtet, dann sieht man eine kontinuierliche Steigerung.“
Diese solle jetzt vor allem im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang weiter forciert werden. Einen deutschen Olympiasieger gab es nämlich noch nie. Mit Hermann sind die Aussichten auf Gold im wichtigsten aller Wettbewerbe bestens. „Wir sind auf einem guten Weg“, zeigt sich auch der Sportdirektor Thomas Schwab optimistisch.
Waghalsiges Abenteuer: Eine Kamerafahrt aus Sicht eines Skeletonis in Whistler/Kanada
Und das obwohl sich die deutschen Skeletonis nach dem Abschied von Athleten wie Marion Thees, Frank Rommel oder Anja Huber-Selbach eigentlich mitten im personellen Umbruch befinden. Der Bayerin Hermann wird nun aber zugetraut eine neue Ära zu prägen, zumal sie alles für ihren Sport und ihre waghalsigen Schussfahrten im Eiskanal tut: „Diese Erfolge kommen nicht von ungefähr. Tina arbeitet seit Jahren hart und nimmt viele Entbehrungen im normalen Leben in Kauf“, so Matschenz. Gefördert wird Hermann von der Bundespolizei, bei der sie neben ihrer sportlichen Karriere eine Ausbildung absolviert. „Ordentlich, Wissbegierig und Ehrgeizig“; mit diesen drei Eigenschaften beschreibt sich die Weltmeisterin selbst.
In Pyeongchang kann sich Hermann ein Denkmal setzen
Ihr Ehrgeiz war auch bei der WM in Innsbruck über das gesamte Wochenende zu spüren. Sie hat dem Druck als Top-Favoritin Stand gehalten, die WM über vier Läufe hinweg dominiert und die Österreicherin Janine Flock mit fast einer halben Sekunde Vorsprung auf Platz zwei verwiesen.
Und spätestens mit ihrem inbrünstigen Jubelschrei im Ziel hat sie der Welt gezeigt, dass sie mit dem WM-Titel noch lange nicht am Ziel ihrer Reise ist. In Pyeongchang könnte Sie sich als erste deutsche Olympiasiegerin im Skeleton ein Denkmal setzen und damit der grandiosen Erfolgsgeschichte des Bob- und Schlittenverbandes Deutschland (BSD) bei großen Veranstaltungen ein weiteres Kapitel hinzufügen. Sport24-fieber.de drückt dafür die Daumen.
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