Die letzte Woche des Monat März hatte es, betrachtet man den König Fußball, in sich. Gut, es stand eine der in Deutschland seltenen „englischen“ Wochen an, also drei Bundesliga-Spieltage innerhalb von sieben Tagen und die übermächtigen Bayern aus München konnten sich ihre bereits 23. Deutsche Meisterschaft sichern – dies im Übrigen so früh, wie noch niemand vor ihnen. Allerdings war dies nicht das bemerkenswerte und schon gar nicht überraschende vor Wochenfrist.
Es sind vielmehr drei Entscheidungen, welche die Zukunft dieser so einflussreichen Sportart massiv beeinflussen können und werden. Doch der Reihe nach:
Für Tennis-Fans ist das sogenannte „Hawk-Eye“(deutsch:Falken-Auge) schon lange keine Neuheit mehr. Das Computerunterstützte System verfolgt den gelben Filzball Millimeter genau, Fehlentscheidungen und Diskussionen a lá John Mc Enroe gibt es quasi nicht mehr. Zumindest, wenn der Spieler, dem das System drei Mal im Satz zu Verfügung steht, die richtigen Bälle hinterfragt. Das beinhaltet zum einen mehr Transparenz den Spielern gegenüber, zum anderen bietet es dem Zuschauer einen erheblichen Unterhaltungswert.
Im Fußball unterstützt seit Beginn dieser Spielzeit ein ganz ähnliches System die englische Premier League. Verglichen zum Tennis, kommt das System viel seltener zum Einsatz. Denn es soll schlicht die Frage klären, ob der Ball mit vollem Umfang im Tor war, oder eben nicht. Dass die 20 englischen Erstliga-Clubs für die aufwändigen Installationen, der für das System notwendigen Hochgeschwindigkeits-Kameras jeweils mehr als 100.000 Pfund berappen mussten, war bei der Finanzstärke der Premier League auf den ersten Blick nur eine Randnotiz.
Bundesligisten stimmen dagegen
Bei einem derart fortschrittlichen Land wie Deutschland, denken sie, sollte die Einführung dann wohl nur eine Frage der Zeit sein?
Der Geschäftsführer der deutschen Fußball Liga, Andreas Rettig hatte sich zuletzt die vier lizenzierten Techniken zur Torerfassung vorführen lassen, zwei davon basieren auf Kameras. „Die DFL hat sich intensiv mit der Thematik beschäftigt“, sagte Rettigs DFL-Kollege Christian Seiffert. Vergangenen Montag kam es bei der DFL-Tagung in Frankfurt am Main zu einer demokratischen Abstimmung der 36 deutschen Profi-Vereine. In der ersten Bundesliga reichte es mit neun ja und neun nein Stimmen nicht zur erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. In der zweiten Liga war das Votum mit nur vier ja-Stimmen sogar noch eindeutiger.
Eine Entscheidung, die so ganz und gar nicht nach dem Geschmack der DFL-Bosse sein kann, hatte man sich in der Vergangenheit doch stets um ein modernes Erscheinungsbild des Aushängeschilds Bundesliga bemüht. Gerade im Vergleich zur Premier League steht die deutsche Eliteklasse jetzt schnell als altmodisch da.
Von „Peinlich“ (Tagesspiegel) über „Klare Fehlentscheidung“ (Spiegel online) und „Scheinheilig und amateurhaft“ (Die Welt) bis „Eigentor“ (FAZ) fielen dann auch die medialen Beurteilungen der Entscheidung in diese Richtung aus.
Für die deutschen Fans hatte sich die Frage nach der Torlinien-Technik indes durch die „Farce von Hoffenheim“, dem Phantomtor des Leverkusener Stürmers Stefan Kiesling, vergangenen Herbst, von selbst beantwortet. In einer Umfrage des Sportinformationsdienstes (SID), unmittelbar vor der Frankfurter Manager-Tagung, sprachen sich gleich 73 Prozent der Befragten für eine technische Überwachung der Torlinien in den Bundesligen aus.
Am Ende eine Geldfrage
Warum also das Veto gegen die technische Neuerung, die zum Zeitgeist der Deutschen passen würde?
Am Ende des Tages war es wohl eine reine Kosten-Nutzen-Frage, 500.000 Euro pro Klub über drei Jahre verteilt hätte die aufwendigste Variante gekostet, insgesamt also 18 Millionen Euro. Im Vergleich zum Liga-Gesamtumsatz von 2,17 Milliarden Euro zwar nur ein kleines Sümmchen, für viele Vereine dennoch eine zu hohe Investition.
Was also beim englischen Pendant zur Bundesliga schon funktioniert und auch bei der WM in Brasilien Wirklichkeit sein wird, bleibt für die DFL vorerst Zukunftsmusik. Bis auf Weiteres“, hatte Liga-Präsident Reinhard Rauball schon unmittelbar nach der Abstimmung in Frankfurt erklärt, „hat sich das Thema erledigt.“
U 23 kein Muss mehr
Da ist die zweite Entscheidung, die auf der Tagung getroffen wurde, beinahe untergegangen. Zu einem deutschen Profiverein gehörte in der Vergangenheit eine funktionierende 2. Mannschaft. Zwei von ihnen, die Reserven des VFB Stuttgarts und von Borussia Dortmund spielen sogar in der 3.Bundesliga, Bayern München II ist kurz davor in eben diese aufzusteigen. In Spanien ist es sogar erlaubt, in der 2.Liga mit Reserve-Teams anzutreten. Die Aushängeschilder der Primera Division, Real Madrid und der FC Barcelona, haben ihre 2. Mannschaft auch erfolgreich dort untergebracht. Alles unter dem Gesichtspunkt, jungen Talenten Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau zu bieten. Denn nicht jeder Jungkicker schafft direkt den Übergang in die erste Mannschaft, gerade bei Groß-Klubs.
Doch genau diese Philosophie wurde jetzt abgeschafft. Von den 36 Profiklubs höchstpersönlich. Einem entsprechenden Antrag von Bayer Leverkusen wurde mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit stattgegeben .Die „Entscheidungshoheit“ liege nun bei den Klub selbst, teilte die DFL mit, „was ihnen mehr Flexibilität im Umgang mit ihren Nachwuchsteams ermöglicht.“
So wird ein Top-Team wie Bayer Leverkusen aller Voraussicht nach seine Reserve zur neuen Saison aus der Regionalliga abmelden, andere Teams könnten diesem Beispiel folgen. Die Mitgliederversammlung habe „angesichts des erheblich gestiegenen Ausbildungsniveaus in den Nachwuchsleistungszentren der Klubs“ dafür gestimmt, die bislang geltende Pflicht aufzugeben, so die DFL weiter.
Talente noch stärker gefordert
Heißt im Klartext: Die deutschen Vereine sind sich ihrer Ausnahmestellung was die Nachwuchsleistungszentren angeht sicher, werden in Zukunft noch mehr aussortieren Wer es mit 18 oder 19 nicht packt, fällt direkt durch ein Raster, das die Vereine selbst anlegen. Für die jungen Spieler bedeutet dies einen Profivertrag direkt nach der A-Jugend zu ergattern, oder aus dem Verein zufliegen.
Kleinere Vereine könnten durch geschicktes Scouting Nutznießer dieser Neuerungen sein und damit dem ein oder anderen verborgenen Talent doch noch den Sprung zum Profi ermöglichen.
Aber auch geschickte Transfers, samt Rückkaufrecht und langfristige Leihen der größeren Vereine könnte es in naher Zukunft öfter geben. So wäre die Weiterentwicklung eines Spielers gewährleistet – dafür müsste der größere Verein am Ende aber wieder Geld investieren. Ob man damit mehr Geld spart, als eine zweite Mannschaft zu unterhalten, bleibt eine spannende Frage. Fakt ist, der Konkurrenzkampf unter den Talenten und damit der Leistungsgedanke im Nachwuchsbereich steigt nochmal deutlich an – eine bedenkliche Entwicklung.
UEFA führt Nations League ein
Das Gegenteil von Entwicklung ist Stillstand. Doch das kann man dem europäischen Fußballverband (UEFA) nun wirklich nicht vorwerfen. Schon eher, dass die Herren um den einstigen Weltklassespieler und jetzigen UEFA-Chef Michel Platini etwas übereifrig sind. Zumindest ist der Franzose immer für eine Überraschung gut. Nachdem 2020 erstmals eine Europameisterschaft interkontinental ausgetragen wird(Spiele in über zehn Ländern), hat die UEFA jetzt mit der Einführung der „Nations League“ für den nächsten Paukenschlag gesorgt.
Offizieller Beweggrund sei die Unattraktivität von Freundschafts-Länderspielen und man wolle diese Partien schlicht aufwerten, heißt es aus UEFA-Kreisen. Ein viel wahrscheinlicherer Beweggrund liegt da schon eher auf der Hand: Attraktivere Spiele können besser vermarktet werden und somit mehr Gelder für die Landesverbände und die UEFA selbst generiert werden. Doch vom finanziellen abgesehen, was wartet denn eigentlich auf Nationalspieler und Fans ab dem Jahr 2018?
Es wird vier Divisionen geben: A, B, C und D. In Division A spielen die stärksten Teams, in Division D entsprechend die schwächsten. Die Unterteilung wird anhand des Uefa-Koeffizienten ermittelt. Pro Division gibt es wiederum vier Gruppen, in denen drei oder vier Mannschaften spielen. Die Gruppenspiele sollen im Herbst 2018 mit Hin- und Rückspiel ausgetragen werden. In einer Dreiergruppe hätte man also vier Spiele, in einer Vierergruppe sechs. Am Ende wird es auch Auf- und Absteiger geben, der Modus dafür ist allerdings noch nicht bekannt.
In ungeraden Jahren, erstmalig im Sommer 2019, soll es dann ein Final-Four-Turnier geben. Hier wird der Sieger der Nations League ermittelt. Die UEFA betont ausdrücklich, dass Spieler keiner Mehrbelastung ausgesetzt werden, da der Modus die Freundschaftsspiele ersetzt. Einige wenige Termine sollen aber erhalten bleiben, um Länderspiele gegen Mannschaften von anderen Kontinenten zu ermöglichen. Diesen Kritikpunkt hatte unlängst Jogi Löw nach Bekanntwerden der Pläne geäußert.
Vier der 24 Teams(so lautet die aufgestockte Teilnehmerzahl für die Europameisterschaft 2020), sollen darüber hinaus über die Nations League ihre Fahrkarte für die EM buchen, pro Division eine. So bekämen auch kleinere Teams die Chance auf eine Teilnahme. Es wird wohl auch am exakten Austragungsmodus liegen, wie gut der neue Wettbewerb von allen Beteiligten angenommen wird.
Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass man über alle drei Entscheidungen der vergangenen Woche wunderbar diskutieren kann. Deswegen lieben wir den König Fußball doch so. Deswegen war die letzte März-Woche auf lange Sicht wohl mehr Segen als Fluch, oder?