Das Transferfenster ist sein Spezialgebiet. Kein Gerücht ist vor ihm sicher. Über einen sich anbahnenden Transfer weiß Tobias Reuter schon Bescheid, da hat der Spieler selbst noch nicht mal unterschrieben. „Diesen Winter war aber alles komplizierter“, schreibt der Transferexperte. In seiner neuen Kolumne auf sport24-fieber.de erklärt er, warum der chinesische Fußballmarkt und dessen Flaggschiff, die Chinese Super League, den Transfermarkt ganz schön durcheinandergewirbelt hat.

„Ich habe mich mit dem Trainer und dem Manager zusammengesetzt. Dann war das Thema nach einer Minute vom Tisch“, erklärte Frankfurts Identifikationsfigur und Topstürmer Alex Meier vor dem ersten Rückrundenspieltag gegenüber Journalisten trocken. So eben hatte er ein fünf (!) Millionen-Euro-Engagement in der Chinese Super League abgelehnt und sich für einen Verbleib in der hessischen Mainmetropole entschieden.

Die Fans feierten ihren Helden für diese Entscheidung und tatsächlich: Auch wenn der Stürmer alles andere als einen Hungerlohn von der Eintracht erhält, war diese Entscheidung mehr als ein Tropfen Balsam auf die geschundene Seele jedes Fußballromantikers.
Bisher kannten wir Experten die Chinese Super League nämlich nur als Abnehmer für alternde Profis, die vor dem Karriereende nochmal einen gutdotierten Vertrag ergattern wollten. Ein Sammelbecken, wie man es auch aus der MLS in den USA oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten kennt.

Renato Augusto: Jackpot statt Ruhrpott

Umso überraschender kam für viele Anfang Januar die Bestätigung, dass sich Renato Augusto für China und gegen Schalke 04 entschieden hatte. Die Knappen waren laut Medienberichten sehr an einer Verpflichtung interessiert, jedoch konnte der Stammgast in den Europäischen Wettbewerben nicht mit den Gehaltszahlungen von Beijing Guoan mithalten. Augusto wohlgemerkt, ist erst 27 Jahre alt und war vor seiner Rückkehr nach Brasilien absoluter Leistungsträger in Leverkusen.

Renato Augusto ist längst nicht der einzige Fußballer, der sich in diesem Transferfenster für das üppige Salär aus dem Reich der Mitte entschieden hat. Es folgten namhaftere Beispiele: Stars europäischer Topclubs wie Gervinho vom AS Rom oder Paulinho von den Tottenham Hotspur wurden bei den Lockrufen aus China schwach.

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Gervinho wechselte für 18 Mio. € nach China; Screenshot: Transfermarkt.de

Alleine Chinas Topliga hat diesen Winter knapp 154 Millionen Euro in Neuverpflichtungen investiert. Zum Vergleich schafften es die 18 Bundesligisten nur auf 45 Millionen Euro. Während viele deutsche Vereine versuchen, eigene Talente zu fördern und einen Verein möglichst schuldenfrei zu führen, folgen die Vereine der Chinese Super League englischen Modellen wie etwa von Manchester City und dem FC Chelsea, die von Investoren geführt werden.
Im Reich der Mitte wird fast ausnahmslos jeder Verein durch asiatische Investoren geführt, deren Firmen mitunter Milliardenumsätze erwirtschaften. So entstehen auch ligaintern Transfersummen, die rational nicht unbedingt zu erklären sind. Shanghai SIPG sicherte sich die Dienste des Stürmers Elkeson (26), von Chinas Serienmeister Guangzhou Evergrande für 18,5 Millionen Euro. Elkeson, der deswegen nun für den schärfsten Rivalen auf Torejagd gehen wird, hat jedoch laut transfermarkt.de lediglich einen Marktwert von 4,5 Millionen Euro.

Wechsel für das 44-Fache des Marktwerts

Und nicht nur für ausländische Spieler werden in China horrende Ablösen gezahlt. Shanghai Shenhua überwies für den Innenverteidiger Jinhao Bi (25) ganze 11 Millionen Euro. Wenn man hier ausschließlich den Marktwert betrachtet, ist Jinhao Bi mit 250.000 Euro einem durchschnittlichen Spieler aus Deutschlands 3. Bundesliga gleichzusetzen. Kein europäischer Verein würde nur annähernd diesen Betrag in die Hand nehmen. Selbst das hochgehandelte norwegische Ausnahmetalent Martin Ödegaard wurde nur für 2,5 Millionen Euro zu Real Madrid transferiert. Bei allem Respekt gegenüber Jinhao Bi, aber als chinesisches Toptalent gilt er mit seinen 25 Lenzen durchaus nicht mehr.

Kurz vor Ende des Transferfensters verließ nun auch der brasilianische Nationalspieler Ramires den FC Chelsea für 27 Millionen – und Freddy Guarin konnte Inter Mailand gar nicht schnell genug verlassen, als er mit einem zweistelligen Millionengehalt nach China gelockt wurde. Sein Verein erhielt immerhin 13 Millionen als Entschädigung.

Ramires Screenshot: Transfermarkt.de

Ramires kehrt Chelsea den Rücken; Screenshot: Transfermarkt.de

„Geld regiert die Welt“ ist eine abgedroschene Floskel, birgt aber einen durchaus hohen Wahrheitsgehalt. So kann es gut sein, dass weitere europäische Top-Fußballer den Lockrufen aus dem Reich der Mitte nicht wiederstehen können, obwohl sie ihren Zenit teilweise noch gar nicht erreicht haben. Das allerdings erst wieder im Sommer. Das Transferfenster für den europäischen Markt ist seit Mitternacht geschlossen. Chinaintern kann jedoch noch bis Ende des Monats um die Wette geboten werden, da die Saison erst im März startet.
Dass es auch anders geht, zeigte wie erwähnt „Fußballgott“ Alex Maier, der sich vergangene Woche mit seinem Dreierpack gegen den VFL Wolfsburg unbeirrt von den Dollarzeichen in die Zweikämpfe warf. Aus sportlicher Sicht hat er bereits jetzt alles richtiggemacht.

Hoffen wir für den Europäischen Fußball, dass sich einige Spieler auch in Zukunft für die sportliche Herausforderung und gegen ein noch höheres Gehalt entscheiden. Das Leben im Rampenlicht des europäischen Fußballs ist auch so nicht schlecht.