Vor allem Verantwortliche und Spieler des ASV Grünwettersbach können seit Dienstag aufatmen: Obwohl sie am Ende der Saison in der Abschlusstabelle der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) auf einem Abstiegsplatz landen werden, bleiben sie erstklassig. Neben dem TTC Hagen profitieren sie davon, dass kein einziger Zweitligist die Lizenz für die kommende TTBL-Saison beantragt hat. Zwischen der Eliteliga und der zweiten Bundesliga liegt, trotz einiger Strukturreformen in der Vergangenheit, noch immer eine zu große Diskrepanz. Sport24-fieber hat direkt nach Bekanntwerden der Entscheidung mit den Verantwortlichen der Zweitliga-Spitzenvereine TSV Bad Königshofen und TTC Fortuna Passau sowie mit dem Geschäftsführer der TTBL, Nico Stehle, über Gründe für den ausbleibenden Aufstiegswillen gesprochen.
Von Torsten Mähner und Jannik Schneider
Hans Wetzel, der Vorsitzende des Zweitligazweiten TTC Passau, macht keinen Hehl aus den Beweggründen für die Nichtbeantragung der TTBL-Lizenz: „Es geht nur ums Finanzielle, wir können uns das in unserer Region einfach nicht leisten.“ Die Anstrengungen, ohne Verschuldung durch die Saison zu kommen, würden auch in Liga zwei immer größer. „Da ist die TTBL für uns erst recht nicht machbar“, sagt Passaus Macher und rechnet vor. Der Mehraufwand für das Oberhaus liege alleine für administrative Dinge wie die Lizenzgebühr, die Kameras oder den roten Fernsehboden bei 50.000 bis 60.000 Euro in einer Saison. „In dieser Kalkulation ist die notwendige Verstärkung des Kaders noch nicht eingerechnet“ erklärt Wetzel. Sein Klub baue auf viele kleine Sponsoren und könne sich so seit 15 Jahren ununterbrochen in der zweiten Liga behaupten.
Albert: „Am Finanziellen scheitert es bei uns nicht“
Geht es nach Manager Andy Albert, dann sind auch die Gönner und Fans des Zweitligisten TSV Bad Königshofen mit dem Status Quo im Unterhaus sehr zufrieden – trotz Tabellenführung. „In der zweiten Liga dauern die Spiele mindestens zwei bis drei Stunden und es gibt zu Beginn zwei Doppel zu sehen“ erläutert Albert aus seiner Sicht Vorteile des Spielsystems in Liga zwei. Er betont: „Das Doppel macht unseren Sport erst zum richtigen Mannschaftssport.“
Das Erstaunliche: Anders als beim bayerischen Konkurrenten aus Passau wären die wirtschaftlichen Voraussetzungen in Bad Königshofen für eine TTBL-Saison durchaus vorhanden. „Am Finanziellen scheitert es bei uns nicht. Auch die Rahmenbedingungen sind erstligareif: Die Kameras sind da, der rote Boden ist ausgelegt“. Aber der Wille fehlt. Albert erklärt das so:
Die Stimmung in der Halle sei dank 4-er Teams und Matches an zwei Tischen gleichzeitig besser, die Anfeuerungen intensiver. „Wir wollten das nicht aufgeben und auch unser Hauptsponsor wollte nicht unbedingt hoch“, berichtet Albert. Denn der Klub habe auch so das Einzugsgebiet vergrößert. „Viele Fans aus dem Raum Fulda kommen wegen der Atmosphäre hierher.“ Und das obwohl die Fans dort mit dem TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell einen sehr erfolgreichen TTBL Verein vor der Haustüre haben.
Neben atmosphärischen Vorteilen im Bundesligaunterbau halte vor allem die ungewisse Zukunft ihres Eigengewächses Kilian Ort die Verantwortlichen davon ab, den Schritt in die TTBL zu wagen. „Bei uns steht und fällt alles mit Kilian. Er ist gerade an der Schulter verletzt, seine Rückkehr ist ungewiss. Deshalb wollten wir das Abenteuer TTBL nicht eingehen.“ Bad Königshofens Manager ist davon überzeugt, dass die Eliteliga mehr junge deutsche Spieler braucht. Nur das bringe Zuschauer. „Aber ohne Eigengewächs gehen wir nicht hoch. Da investieren wir lieber in die Jugend.“
Stehle: “ Wir arbeiten daran die Verbindung zu stärken“
Der Geschäftsführer der TTBL Nico Stehle ist sich dem Problem der fehlenden Durchlässigkeit zwischen Liga eins und zwei ebenfalls bewusst. „Wir arbeiten daran, die Verbindung zwischen den beiden Ligen zu stärken“ erklärt Stehle. „Wir stehen mit den Clubs der zweiten Liga in engem Austausch und erörtern welche Möglichkeiten es gibt, den Abstand zu verkleinern.“ Konkret gebe es Überlegungen, die Liga auf zwölf Mannschaften aufzustocken: „Aktuell finden Gespräche mit dem DTTB statt, um zu eruieren, ob eine Zwölferliga perspektivisch implementiert werden kann und soll. Ziel wäre, eine bessere Durchlässigkeit von zweiter zu erster Liga zu schaffen“, erklärt der TTBL-Macher. Mit der Strukturreform der 2. Liga, weg von Sechsermannschaften, hin zu Viererteams und zur Eingleisigkeit sei schon ein wichtiges Kapitel abgeschlossen worden. „Die Eingleisigkeit hat sich als richtiger Schritt erwiesen“ bekräftigt der TTBL-Geschäftsführer. Dieser scheint, das zeigt die aktuelle Saison, jedoch noch nicht auszureichen, um die Attraktivität der Eliteklasse für Zweitligaklubs zu erhöhen.
Den bisher umgesetzten Strukturreformen steht auch der Passau-Vorsitzende Wetzel positiv gegenüber. Die Reduzierung der Mannschaftsstärke und der damit einhergehende Wechsel auf das Bundessystem sei ein guter Schritt gewesen. „So dauern die Spiele nicht mehr vier oder viereinhalb Stunden wie früher, als es mit sechs Mann noch bis zum neunten Punkt ging.“ Die Verkürzung der Spieldauer würde mehr Zuschauer anlocken.
Wetzel: „Verbindung noch verbesserungswürdig“
Auch den Sprung zur eingleisigen Liga und die damit verbundenen Mehraufwendungen habe der TTC Fortuna Passau gut bewältigt. Wetzel wünscht sich sowohl in Liga 1 als auch in Liga 2 Viererteams: „Trotz Zuschauerrückgangs zeigt sich die TTBL in dieser Hinsicht etwas stur und lässt sich von den Vorteilen der Viererteam-Lösung nicht überzeugen“, ärgert sich Wetzel. Es sei verständlich, dass aufgrund der europäischen Gegebenheiten, bei denen Dreiermannschaften momentan den Standard darstellen, auch vieles für diese Lösung spreche. Jedoch hat Wetzel das Gefühl, „dass die Verbindung von TTBL zur zweiten Liga noch verbesserungswürdig ist.“
Der TTBL-Geschäftsführer sieht im Hinblick auf das Spielsystem der Eliteliga zurzeit keinen Anlass, große Veränderungen herbeizuführen. Stehle legt den Fokus vor allem auf die medientaugliche Präsenz der Matches. „Ein Sport, der nicht medial präsent ist, findet in der öffentlichen Wahrnehmung nicht statt“ lautet Stehles Ansatz. Der Ausbau der Medienpräsenz sei nur mit dem jetzigen „Centre-Court-Prinzip“, also dem Spielen an einem einzigen Tisch, möglich. „Wir hatten im Rahmen des TTBL- und Pokal-Finals Bewegtbilder in den großen deutschen Sportsendungen“, betont der ehemalige Bundesligaspieler.
Die TTBL hat wie hier beim Liga-Finale 2015 stets den Eventcharakter des Tischtennissports im Blick
Doch welchen Wert haben Beiträge im TV, wenn sich die TTBL den Vorwurf gefallen lassen muss, es fehle der Liga ein Abstiegskampf und damit die Verbindung zum Bundesligaunterbau – wenn selbst Spitzenmannschaften aus Liga zwei finanziell nicht können oder noch schlimmer, nicht nach oben wollen?
„Wir reflektieren laufend, ob es bessere Modelle gibt“, antwortet Stehle. Bei einer Änderung des Spielsystems etwa, müsse auch die ETTU mit ins Boot geholt werden, um es in Europa zu vereinheitlichen. Bevor das geschehen könnte, seien aber auch die Vereine gefragt. „Wir arbeiten gemeinsam mit den Vereinen an einer stetigen Weiterentwicklung der TTBL. Die Vereine müssen, neben ihren sportlichen, auch die administrativen Strukturen stärken, damit eine noch bessere Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung betrieben werden kann und die Heimspiele der Vereine einen größeren Eventcharakter bekommen.“
Der TTC Ober-Erlenbach geht hier mit gutem Beispiel voran. Der hessische Klub hat mit 318 Zuschauern momentan den besten Schnitt in Liga zwei und schmückt die Heimspiele mit allerlei Rahmenprogramm aus. Trotz dieser hervorragenden Fanbasis haben auch die Hessen keine Lizenz für das Oberhaus beantragt. Zudem scheint der Klub aus dem Rhein/Main-Gebiet nicht der einzige zu sein, der die eigene Zweitliga-Halle zum Kochen bringen kann: Beim bayerischen Derby zwischen Hilpoltstein und Bad Königshofen waren vergangenes Wochenende 450 Zuschauer in der Halle; darunter 50 Gästefans, die extra mit einem Fanbus angereist waren.
Auch vor zwei Jahren war die Stimmung beim bayerischen Derby bestens
In Liga zwei gab es in der Saison vier weitere Partien mit 400 oder mehr Zuschauern, also auf dem gleichen Niveau wie der momentane Zuschauerschnitt der TTBL (436). Die Teams der zweiten Liga richten schon jetzt einige Heimspiele mit Eventcharakter aus, bei denen der Zuschauerzuspruch stimmt. Abgesehen von den finanziellen Hürden, die ein möglicher Aufstieg mit sich bringt, haben Verantwortliche mancher Zweitligisten, wie das Beispiel Bad Königshofen zeigt, trotz guter Rahmenbedingungen nicht den Willen, einen Aufstieg wahrzunehmen.
So wird auch in der Saison 2016/17 keine bayerische Mannschaft in der TTBL aufschlagen. Die Fans müssen mit Klubs Vorlieb nehmen, die sie schon aus dieser Spielzeit kennen. Gerade aufgrund des Zuschauerrückgangs in der deutschen Eliteliga würde der TTBL eine Portion frischer Wind in Form von Aufsteigern guttun. Es wäre von Vorteil, wenn sich die Verantwortlichen der TTBL und der 2. Liga im Laufe der kommenden Saison auf Eckpunkte weiterer Reformen einigen, um die Diskrepanz zwischen erster und zweiter Liga weiter zu reduzieren. Denn zu einer erfolgreichen Präsentation des Spitzentischtennis gehört nicht nur Medienpräsenz in öffentlich-rechtlichen Sportmagazinen, sondern auch eine Eliteliga, deren Struktur sowohl die Basis für ein spannendes Titelrennen als auch einen mitreißenden Abstiegskampf bietet.
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