Wenn die Tischtennisspieler am heutigen Montag im italienischen Lignano in die paralympische Saison starten, dann tun sie das anders als in den Jahren zuvor. Der internationale Verband hat zusätzlich eine U23-Turnierserie in den bestehenden Weltcupkalender integriert, um jungen Sportlern internationale Wettkampferfahrung zu ermöglichen. Bei der Premiere starten auch vier deutsche Nachwuchsasse. Mit der Neuerung soll ein weiterer Schritt auf dem Weg der Professionalisierung der Behindertensportstrukturen vollzogen werden.
Als Vorbild dient zum einen die bereits bestehende Schüler-und Jugendweltcupserie aus dem Nichtbehindertensport und zum anderen die U-21-Konkurrenz, die zeitgleich zu den ITTF Pro Tour Turnieren ausgetragen wird. Die neue Turnierserie für Sportler mit Handicap ist eine Kombination aus beiden Elementen, die allerdings Spielern bis zum Alter von 23 die Teilnahme erlaubt.
Diese Regelung hat zur Folge, dass bei der Premiere im italienischen Lignano ab dem heutigen Montag (hier geht es zu den Liveresultaten) nicht nur Neulinge, sondern auch einige weltcuperfahrene Spielerinnen und Spieler an den Start gehen. Aus deutscher Sicht trifft diese Beschreibung sicherlich auf Sandra Mikolaschek zu. Die Rollstuhlfahrerin, die im Deutschen Tischtenniszentrum (DTTZ) in Düsseldorf lebt und trainiert, hat bereits einige Podestplätze bei Damenweltcups vorzuweisen. Zudem gewann sie Silber bei den Europameisterschaften vor zwei Jahren und erreichte das WM-Viertelfinale 2014. Sportlich hat sich die 18-Jährige aufgrund ihrer Weltcupposition für die Paralympics in Rio de Janeiro qualifiziert.
Doch Mikolascheks Leistungen im vergangenen Jahr waren, wie bei einer jungen Sportlerin wenig überraschend, auch einigen Schwankungen unterlaufen. Deshalb ist die Rechtshänderin froh, mit dem U23-Turnier in das Wettkampfjahr zu starten: „Ich habe große Lust auf das neue Format, ich will vor Rio einfach so viel wie möglich spielen“. Gemeinsam mit ihrem Landestrainer Hannes Dösseler, der gleichzeitig Co-Trainer der Nationalmannschaft ist, habe sie sich deswegen für eine Teilnahme entschieden. Doch dabei soll es nicht bleiben. „Ich hoffe, dass ich das Turnier in meiner Wettkampfklasse vier gewinnen kann, um ein gutes Gefühl für das anschließende Weltcupturnier zu bekommen“, sagt die Spielerin von Borussia Düsseldorf.
Denn wie viele andere Akteure, hat Mikolaschek auch für das anschließende Weltcupturnier gemeldet. „Auch hier sind die Medaillen das Ziel“, sagt „Sandy“, wie sie in der Nationalmannschaft gerufen wird, selbstbewusst.
Nicht weniger ambitioniert ist da ihre Teampartnerin und Freundin Reeg. Die Hessin gilt aufgrund ihres Alters und ihrer spielerischen Anlagen als größtes Talent im deutschen Behindertentischtennis. Die 15-Jährige schnappte sich vergangenes Jahr den Deutschen Meistertitel bei den Damen und hat ebenfalls einiges an Weltcuperfahrung vorzuweisen. „Da es das erste Jugendturnier ist, bin ich gespannt, wie gut es organisiert ist“, erklärt die Rechtshänderin, der seit der Geburt der linke Unterarm fehlt. „Ich hoffe als Weltranglistenzwölfte in der Wettkampfklasse zehn gegen Spielerinnen zu gewinnen, die vor mir platziert sind“, beschreibt sie ihre Zielvorgabe für das Jugendturnier. Reeg, die am Olympiastützpunkt in Frankfurt in einer Trainingsgruppe mit den Leistungssportlerinnen des Nichtbehindertensport trainiert, hat ebenfalls für das anschließende Damenturnier später in der Woche gemeldet.
Zwei Fliegen mit einer Klatsche? Punkte eventuell für beide Weltranglisten
Obwohl es das erste reine Jugendweltcupturnier ist, hat der Weltverband bereits eine Rangliste erstellt und dabei die Ergebnisse bei den Erwachsenen zu Rate gezogen. So ist Kramm in der Wettkampfklasse neun auf Position fünf gelistet. Mikolaschek führt in der WK 4 die Jugendrangliste sogar deutlich an. Die Chance für die Spielerinnen: Bei guten Ergebnissen winken ihnen nicht nur Punkte für die Jugend-, sondern auch für die Weltrangliste bei den Erwachsenen. Endgültig entschieden wird das aber erst nach dem Premierenturnier.
Das deutsche Quartett in Italien komplettiert Lisa Hentig. Die Rollstuhlfahrerin aus Köln startet wie Mikloaschek in der Wettkampfklasse vier. „Da ich noch nicht so lange dabei bin, geht es für mich in erster Linie darum, Spielerfahrung zu sammeln“, berichtet die 22-Jährige. Damit passt die Kölnerin optimal in das Schema der Spieler, die der Weltverband mit der U-23-Turnierserie ansprechen möchte. Gerade im Behindertensport sind Späteinsteiger (aufgrund von Unfällen etc.) nicht selten. Gut, dass diese Spieler nun die Möglichkeiten erhalten, sich gegen andere junge Spieler auf internationalem Parkett zu messen. Laut des Turnierkalenders des Weltverbandes sind dieses Jahr noch fünf weitere U-23-Turniere geplant, jedes einzelne als Vorturnier zum anschließend stattfindenden Weltcupturnier. Die zukünftigen Teilnehmerzahlen und der Erfolg dieser Turnierserie wird nicht zuletzt von einer erfolgreichen Premiere diese Woche in Italien abhängen. 57 Teilnehmer aus 17 Nationen haben gemeldet. Bei positivem Feedback der Spieler, Trainer und Funktionäre könnte das Turnier Signalwirkung für weitere Verbände haben, junge Spieler internationale Erfahrungen zu bieten.
Hier geht es zu den Liveresultaten des U23-Turniers in Lignano.