Nach der sensationellen Leistung des DHB-Teams und der dadurch entfachten Handball-Euphorie in Deutschland (13 Millionen TV-Zuschauer beim Finale in der ARD) haben die Öffentlich-Rechtlichen plötzlich großes Interesse an den Übertragungsrechten für die Weltmeisterschaft 2017. Doch das Weltturnier würde aus heutiger Sicht nur im Pay-TV zu sehen sein, weil der Rechteinhaber sich querstellt. Um das zu verhindern, rufen die Sender nun die Medienpolitik auf, den Rundfunkvertrag entscheidend zu ändern. Andere Sportarten würden von dieser Regeländerung dennoch nicht profitieren.
„Bei ARD, ZDF und Deutschlandradio findet Sport in allen Facetten statt: Massen- und Randsportarten, in der Sportschau, im aktuellen sportstudio oder regional in den Landes-Programmen der ARD. Bei den Öffentlich-Rechtlichen ist Sport keine Ware, die Geld bringen muss. Deshalb können Spiele, Übertragungen und Reportagen allen Menschen in Deutschland – unverschlüsselt – angeboten werden.“ – So steht es auf der Homepage des Rundfunkbeitrages geschrieben.
Dass diese Vorsätze in der kürzeren Vergangenheit – aus Sicht vieler Sportfans – nicht immer ausreichend umgesetzt wurden, zeigen mehrere Sportereignisse der vergangenen fünf Jahre. Die Basketball-EM 2013 übertrug fast ausschließlich das Sportportal spox.com via Livestream. Die WM im folgenden Jahr lief immerhin auf dem Spartensender Sport1. Fabian Hambüchen und Co. fabrizierten ihre Kunststücke während der Turn-WM inklusive der so wichtigen Olympiaqualifikation unter Ausschluss der deutschen TV-Zuschauer. Grandslam-Turniere und Länderkämpfe werden im Tennis seit den Zeiten einer Steffi Graf und eines Boris Beckers nicht mehr im TV, geschweige denn in den öffentlich/rechtlichen übertragen. Hockey, Tischtennis und Fans anderer Sportarten machen sich ohnehin längst keine Hoffnungen mehr. Die deutschen Handballfans waren im Vergleich dazu relativ verwöhnt. Um den Viertelfinaleinzug des DHB-Teams bei der WM 2015 zu verfolgen, mussten aber auch sie erstmals einen Kompromiss eingehen. Livebilder lieferte nämlich ausschließlich der PayTV-Sender SKY.
Highlights vom Finale Deutschland vs. Spanien
Rundfunkauftrag hin, Bildungsauftrag her: Auch ARD und ZDF stehen unter Quotendruck und handeln innerhalb ihrer Rahmenbedingungen danach. So rosig wie es auf der Homepage formuliert wird, ist die Sportberichterstattung nicht – falls sie es jemals gewesen sein sollte. In Sachen Handball-WM sind ARD und ZDF nun in einer verzwickten Lage. Die Handballeuphorie im Land setzt die Sender unter Druck. Der Deutsche Handball-Bund sprach gar von einer „Sendeverpflichtung“ – ohne allerdings zu begründen, woher genau die kommen soll. Zuletzt hatten unter anderem Vizepräsident Bob Hanning vom Deutschen Handballbund (DHB) und Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), eine Übertragung der WM 2017 in den Öffentlich-Rechtlichen gefordert. Dass die Verantwortlichen den Erfolg nutzen und so vehement auf die Übertragung pochen, ist aber nicht mehr notwendig. Die Sender haben aufgrund gigantischer Einschaltquoten nun selbst das größte Interesse daran, die Weltmeisterschaft ausführlich zu zeigen.
Zauberwort Listenregelung
Doch Verhandlungen mit dem Rechteinhaber „beIn Sport“, einer Tochter von Al Jazeera, gestalten sich als äußerst schwierig. „beIn Sport“ besteht darauf, dass sichergestellt sein muss, dass die Übertragung geographisch auf Deutschland beschränkt sei – und schließt damit eine Free-TV-Übertragung aus, da via Satellit deutsche Sender auch im Ausland zu empfangen sind. Die privaten Konkurrenten stehen dabei vor dem gleichen Problem wie ARD und ZDF, auch deren SD-Signal ist via Satellit unverschlüsselt zu empfangen. Im vergangenen Jahr war daher kurzfristig Sky eingesprungen, da derzeit nur Pay-TV durch die Verschlüsselung die vollständige geographische Einschränkung auf Deutschland sicherstellen kann.
Deshalb haben die Intendanten der ARD einen neuen Plan entwickelt, um den Druck auf „beIn Sport“ zu erhöhen. Im Fokus steht dabei die sogenannte „Listenregelung“ des Rundfunkstaatsvertrags. In einer solchen Liste kann festgelegt werden, dass bestimmte Veranstaltungen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung zwingend im frei empfangbaren Fernsehen live oder zeitversetzt übertragen werden müssen und selbst dann nicht nur im Pay-TV laufen dürften, wenn ein Pay-TV-Sender die Exklusivrechte erworben hätte. Die Spiele mit deutscher Beteiligung bei Fußball-EMs und WMs befinden sich beispielsweise auf dieser Liste, Handball sowie viele andere Sportarten hingegen nicht. Die neue ARD-Vorsitzende Karola Wille erklärte unlängst nach einer Sitzung in Leipzig, man habe die Medienpolitik aufgefordert, diese „Listenregelung“ im Rundfunkstaatsvertrag um die Handball-Europa- und Weltmeisterschaften zu ergänzen.
Ob die Handballturniere in diese „Schutzliste“ aufgenommen werden, müssen nun die Ministerpräsidenten entscheiden. Medienkenner wie der Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes Hendrik Zörner prognostizieren nun, dass die Länderchefs wenig Interesse daran haben, sich in den Streit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und privaten Sendern, den Vertretern des Handballs und der Sportfans hinein ziehen zu lassen. Zörner ist sich jedoch sicher, dass die neue ARD-Intendantin bei diesem Thema nicht locker lassen werde. Deshalb bleibt den Ministerpräsidenten eine Entscheidung wohl nicht erspart.
Käme diese Regelung, würde für beIn Sport auch Sky als möglicher Käufer wegfallen – und damit womöglich die Bereitschaft größer, auf die Forderung der geographischen Begrenzung zu verzichten, so die Hoffnung der ARD. Kommt sie nicht, dann sieht die ARD hingegen nur geringe Chancen, beIn Sport zum Einlenken zu bewegen. Al Jazeera ist schlichtweg auf das Geld nicht angewiesen.
TV-Beachtung nur dann, wenn deutsche Sportler über sich hinauswachsen?
Die Hartnäckigkeit der neuen Intendantin resultiert jedoch keineswegs aus einer neuen Sportbegeisterung oder moralischen Instanz, plötzlich die Rundfunkstaatsverträge exakter einzuhalten. Bei atemberaubenden Einschaltquoten, wie sie das EM-Finale unlängst einbrachte, haben die Verantwortlichen gar keine andere Wahl, als alle Möglichkeiten auszuloten. So würde von einer möglichen Erweiterung der „Listenregelung“ nur der Handballsport profitieren. Abgesehen vom Wintersport, der aufgrund der Jahreszeit gewisse Alleinstellungsmerkmale vorweisen kann (Winterpause im Fußball), haben die oben erwähnten Sportarten folgerichtig nur die Chance eine größere Beachtung der Öffentlich-Rechtlichen zu erfahren, wenn Deutsche Sportler herausragende Leistungen abliefern.
Fed Cup dank Kerber live in Sat 1 – Ran ist sogar beim Training dabei
Der frühe Vogel: @AngeliqueKerber und @andreapetkovic trainieren bereis fleißig #ranFedCup @sat1 pic.twitter.com/et8Y8tMZr3
— ran (@ransport) February 5, 2016
Angelique Kerber etwa, hat mit ihrem Grandslam-Erfolg in Melbourne bewirkt, dass die beiden Fed-Cup-Einzel am Samstag in Leipzig gegen die Schweiz live im Hauptprogramm des Privatsenders Sat 1 zu sehen sein werden. Vor Kerbers Sensationserfolg hatte der Sender die Übertragung nur für den Hausfrauensender Sat1 Gold geplant.
Um mehr TV-Präsenz zu erfahren, müssen Deutsche Sportler also überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Dabei ist das Sportfördersystem seit langem in der Kritik. Viele Sportler sind frustriert. Die Politik fordert mehr Medaillen bei Olympia, bietet aber keine zeitgemäßen Bedingungen und Förderungen, behaupten Sportler wie Diskusolympiasieger Robert Harting. Trotzdem sind Deutsche Sportler nicht selten überdurchschnittlich gut. Das sollten Sportfans honorieren. Wenn nun wie am Samstag, Tennis live im freeTV zu sehen ist, sollten Sportfans einschalten und Sat1 eine gute Quote bescheren. Das wäre ein gutes Signal, nicht nur für den Tennissport, sondern für den gesamten Deutschen Sport. Und wer weiß, vielleicht werden die Öffentlich-Rechtlichen dann ebenfalls hellhörig und bekunden Interesse an weiteren Tennisübertragungen. Es bleibt den Sportlern und Zuschauern gleichermaßen zu wünschen, dass ähnliche Szenarien auch in anderen Sportarten in Zukunft möglich sind.
Mehr Informationen zu diesem und anderen Themen gibt es auf der Facebookseite von sport24-fieber.