Bei seinem ersten internationalen Auftritt seit seiner Knieoperation im vergangenen Herbst hat Timo Boll mit dem Viertelfinaleinzug bei den German Open in Berlin eine ordentliche Leistung auf dem Weg zurück zur alten Stärke gezeigt. Für großes Aufsehen sorgte der 35-Jährige am Wochenende abseits des Tisches mit einem Interview, in dem er 80 Prozent seiner Konkurrenten Manipulation vorwarf.

Mit den Aussagen gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verwies Deutschlands Nummer zwei aber nicht etwa auf Wett- oder Spielmanipluation in der Tischtennisszene, sondern auf konkrete Schummeleien seiner Gegner mit dem verwendeten Schlägermaterial. „80 Prozent der Schläger entsprechen nach meiner Schätzung nicht den Regeln“, lautete das harte Urteil des ehemaligen Weltranglistenersten. Dass dennoch kein Akteur mit seinem Spielgerät durch die Mess- und Kontrollverfahren während der Wettkämpfe fällt, liege daran, dass die Einhaltung der Regeln nicht genau genug geprüft werde. „Beläge werden mit Chemikalien nachbehandelt, um den Katapulteffekt beim Topspin zu vergrößern. Um das nachzuweisen, müsste man den Belag vom Holz lösen und ihn ins Labor senden. Das fordere ich schon lange“, berichtete der 35-Jährige gegenüber der F.A.S. Dies halte der Weltverband ITTF aber für unzumutbar und zu aufwändig. Dabei würden Profispieler laut Boll nicht für Material zahlen. Zudem sei es kein großer Aufwand, die Beläge danach wieder aufzukleben, hält Boll dagegen.

„Manche Schläge hätten nicht die Qualität“

Nicht nur Chinesen, auch Europäer und andere Asiaten könnten sich laut Boll somit einen spielerischen Vorteil verschaffen. „Ich habe schon mit dem Material von Spielern gespielt, die ihre Beläge nachbehandelt haben – da war schon ein gewisser Unterschied“, sagte Boll. Während seiner Auftritte in der chinesischen Liga habe er sich im Training zudem Schläger von Teamkollegen geschnappt. Der WM-Dritte von 2011 ist sich sicher: „Wenn die Chinesen mit meinem Schläger und ihrer gewohnten Technik einen Topspin ziehen, der Ball würde in der eigenen Spielhälfte landen.“

Ausschnitte des Viertelfinalaus gegen Altmeister Vladimir Samsonov

 

Die Beläge seien zwar ein extremer Vorteil für die Chinesen. Die Stärke beruhe aber nicht nur alleine darauf. „Sie haben die besten Bedingungen, viele Trainer und das meiste Geld. Aber es ist sicher, sie könnten manche Bälle nicht so spielen, wie sie sie spielen und manche Schläge hätten nicht die Qualität, wie sie sie momentan haben“, so Boll.
Eigene Manipulation schob Boll gegenüber der F.A.S sofort einen Riegel vor. „Tischtennis ist meine Liebe und seine Liebe betrügt man nicht“, lautete das klare Statement des gebürtigen Odenwäldlers.
Trotz (oder gerade wegen der Vorwürfe?) wurde in Berlin am Wochenende Weltklasse-Tischtennis gezeigt. Hier geht es zu den besten zehn Ballwechseln des Turniers.