Viele Sportarten streiten sich um wenige Sendeplätze im Schatten des großen Fußballgeschäfts. Der „Finaltag der Amateure“, eine Kooperation, die der DFB gemeinsam mit der ARD getroffen hat, soll den Amateurfußball stärken und ihm mehr Aufmerksamkeit schenken. Unser Autor Jannik ist davon in seinem Kommentar überhaupt nicht angetan: „Der gutgemeinte Gedanke der Verantwortlichen ist ein Schlag ins Gesicht für alle Leistungssportler so kurz vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. “

Im olympischen und paralympischen Jahr 2016 ist diese Entscheidung ein Schlag ins Gesicht für die Wertschätzung und Beachtung deutscher Leistungssportler auf dem Weg zum Jahreshöhepunkt in Rio de Janeiro: Die ARD überträgt am 28. Mai in Kooperation mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) erstmals 17 Verbandspokalendspiele in mehreren Konferenzschaltungen, dazu jedes Spiel einzeln im Livestream auf ard.de.  Insgesamt macht das acht Stunden Amateurfußball live in den öffentlich/rechtlichen.
Die Quote wird – auch dank einiger Traditionsvereine mit großer Fanbasis – stimmen. Und, um nicht missverstanden zu werden: Ich bin selbst großer Fußballfan, liebe meinen Verein, schaue viele Spiele und tue das gern. Die ARD selbst aber schreibt auf ihrer Homepage: Sportberichterstattung gehört zu unserem Informationsauftrag, ist gesetzlich festgeschrieben und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir haben uns verpflichtet, die Sportberichterstattung auf nicht mehr als zehn Prozent in den Hauptprogrammen zu beschränken und keinen gesonderten Sportkanal zu betreiben.

Andere Sportarten meist nur in der Fußball-Winterpause im Fokus

Das Erste rühmt sich damit, dass sie in diesen zehn Prozent mit der angebotenen Sportvielfalt als Vollpogramm weltweit einzigartig ist. So zeige der TV-Kanal jährlich 50 verschiedene Sportarten, gemeinsam mit den Dritten Programmen sogar rund 100 verschiedene Sportarten. Und auf der Homepage steht: Nur die ARD selbst entscheidet, über welche Sportarten in ihren Programmen berichtet wird. Im Jahr 2014 waren das insgesamt 372 Stunden Livesport.
Nur 82 Stunden davon zeigte die ARD Livefußball. Das ist oft das Ko-Kriterium, dass der Öffentlich/Rechtliche Sender vorträgt: Die große Mehrheit des Livesportangebots (78 Prozent) betrifft nachweislich andere Sportarten. Dass ein Großteil davon, nämlich 208 Stunden, auf den Wintersport, und damit in große Teile der Winterpause des Fußballs fällt, nimmt die ARD gerne in Kauf. Geschenkt. Ein weiteres Plus: Sportarten wie Skispringen und Biathlon  werden gut vom Zuschauer angenommen, der Spannungsfaktor passt. Während das Fed-Cup-Spiel der deutschen Damen, eine Woche nach Angelique Kerbers Grand-Slam-Erfolg, nur 450 000 Menschen auf Sat1 verfolgten, waren am Abend beim Biathlonweltcup in den USA mehr als 4 Millionen Menschen vor den Bildschirmen der Öffentlich/Rechtlichen.
Doch die olympischen Sommersportarten bleiben zu oft außen vor. Wichtige und große Events finden keine Beachtung in der Öffentlich/Rechtlichen Berichterstattung! Die Basketball-EM 2013 übertrug fast ausschließlich das Sportportal spox.com via Livestream. Die WM im folgenden Jahr lief nur auf Sport1. Fabian Hambüchen und Co. fabrizierten ihre Kunststücke während der Turn-WM inklusive der so wichtigen Olympiaqualifikation unter Ausschluss der deutschen TV-Zuschauer.
Ausnahmeturner Marcel Nguyen wunderte sich unlängst, keine einzige Kamera bei den Deutschen Meisterschaften gesichtet zu haben. Grandslam-Turniere und Länderkämpfe werden im Tennis seit den Zeiten einer Steffi Graf und eines Boris Beckers kaum mehr im TV, geschweige denn in den Öffentlich/Rechtlichen übertragen. Hockey, Tischtennis und Fans anderer Sportarten machen sich ohnehin längst keine Hoffnungen mehr. Die Handballer profitieren nach ihrem Triumph in Zukunft vielleicht wieder mehr.

Talentierte Sportler bleiben so dem Leistungssport fern

Die Entscheidung der ARD aber ist ein fatales Zeichen und hat eine falsche Signalwirkung: Wir zeigen lieber Halbprofis aus der Regionalliga  und Amateurteams, anstatt anderen Sportarten kurz vor den Olympischen Spielen eine Plattform zu bieten. Wettkämpfe dafür gebe es genug. Zuschauer können langfristig nur dann etwas gut oder schlecht finden, wenn sie das Angebot bekommen, es zu beurteilen.

So lange die Liveübertragung der Verbandspokalendspiele Vorrang erhält, wird sich daran nichts ändern. Die deutsche Elite der Handballer, der Hockeyspieler, der Turner, der Schwimmer – diese Liste lässt sich problemlos verlängern – teilt sich dann in den Zusammenfassungen der Sportschau auf Drei-Minuten-Beiträge auf. Das hat wenig mit Bildungsauftrag und Vielfalt der Sportberichterstattung, wie es der Rundfunkstaatsvertrag vorsieht, zu tun. Und könnte zur Folge haben, dass sich in Zukunft immer mehr talentierte Sportler gegen den Leistungssport entscheiden. Schade! Aber wer will es ihnen ohne öffentliche Wertschätzung am Ende des Tages verdenken.

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