Wie einige von Euch vielleicht bereits wissen, bin ich ehrenamtlich für das Behindertensportprojekt „sport grenzenlos“ aktiv. Uns geht es darum, Tischtennis als den barrierefreien Sport schlechthin, den Menschen mit verschiedensten Behinderungen spielen können, vorzustellen, und das (sportliche) miteinander von unterschiedlichen Menschen fördern. Am Wochenende waren wir mit verschiedenen Behindertensportlern bereits zum dritten Mal in Göttingen 🙂

Frauke Alves war begeistert: „Die Kinder lernen hier, was Normalität bedeutet“, sagt die Organisatorin des 3. inklusiven Tischtennis-Lehrgangs, den der ausrichtende SC Weende gemeinsam mit der Behindertensport-Initiative sport grenzenlos am vergangenen Wochenende ausgerichtet hat. So trainierten mehrere Mitglieder der Tischtennis-Nationalmannschaft der Behinderten, angeführt vom zweifachen Paralympicssieger Holger Nikelis, Seite an Seite mit 52 Nachwuchsspielern.

Als das Team von sport grenzenlos am Samstagmorgen in der Göttinger Sporthalle am James-Francko-Ring zum geplanten Lehrgang erschien, ging es ein bisschen zu, wie bei einem Klassentreffen: herzliche Umarmungen, Abklatschen, Smalltalk und Vorfreude auf den Tischtennislehrgang in Göttingen. „Man kennt sich, man schätzt sich, fasst das Holger Nikelis prägnant zusammen. Dem Initiator des Behindertensportprojekts „sport grenzenlos“ liegt es am Herzen, Tischtennis als barrierefreien Sport zu präsentieren. Egal, ob als Rollstuhlfahrer oder mit einer anderen Behinderung: „Das Schöne an unserem Sport ist, dass ihn jeder spielen kann“, sagt der 37-Jährige.
Dass das nicht nur eine Phrase ist, zeigt der zweifache Paralympicssieger im Rollstuhl-Tischtennis mit seinem Team bei zahlreichen Events. Alves hatte mit ihren beiden Kindern, die beim SC Weende aktiv sind, 2013 ein Spiel der Tischtennis-Bundesliga besucht und dort Nikelis kennengelernt. „Wir haben uns von Beginn an super verstanden und da bei uns im Verein auch Menschen mit Behinderungen mitspielen, entstand die Idee eines gemeinsamen Lehrgangs“ erklärt Alves. Im Januar 2014 traf man sich erstmals für ein gemeinsames Trainingswochenende. „Wir haben eine Tradition geschaffen. Anhand des Auftretens der Kinder erkennt man, dass hier echt etwas zusammengewachsen ist“, so Alves.

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„Ziel, Vorurteile abzubauen, zumindest hier in Göttingen schon mehr als erreicht

„Mittlerweile achte ich null auf die Behinderung. Es geht nur noch darum, die Übung gut zu spielen oder den Punkt zu erzielen“, sagt Jonathan Alves. Das sei vor drei Jahren schon noch anders gewesen, bekennt der Lehrgangsteilnehmer „Da haben wir zuerst gestutzt, bei den verschiedenen Handicaps“, erinnert sich der 17-Jährige. Denn das sport grenzenlos Team vereint zahlreiche Nationalspieler mit unterschiedlichen Behinderungen, beispielsweise Rollstuhlfahrer (Selcuk Cetin), Kleinwüchsige (Johannes Urban), Menschen mit Spastiken (Jannik Schneider), mit Prothesen (Yannik Rüddenklau) oder Behinderungen an den Armen (Marlene Reeg, Frederic Peschke). „Heute sind das für uns aber nur die Marlene, der Johannes oder der Yannik und nicht die Spieler mit dem oder dem Handicap“, so der Spieler des SC Weende. „Damit haben wir unser Ziel, Vorurteile abzubauen, zumindest hier in Göttingen schon mehr als erreicht“, resümiert Nikelis stolz.
Unterstützung erhielten Frauke Alves und ihre rund 15 Helfer erneut von zahlreichen lokalen Sponsoren. „Die Firma ottobock hat etwa wieder zehn Rollstühle zur Verfügung gestellt“, sagt Alves. Diese gehörten vor allem bei den Jüngsten Lehrgangsteilnehmern zur absoluten Lieblingsbeschäftigung. „So lernen die Kids spielerisch den Umgang mit dem Rollstuhl“, freut sich Nikelis, der zusammen mit seinem Heimtrainer Michael Meißner und Nationalmannschaftskollege und Team-Europameister von 2015, Selcuk Cetin, ein rollstuhlspezifisches Tischtennistraining organisiert hatte. „Wir finden es toll, dass die Teilnehmer hier ihre eigenen Erfahrungen machen können“, sagt Rüdiger Herzog, Redakteur in der Unternehmenskommunikation bei ottobock. Mit dem Spaß und dem Respekt der beim inklusiven Lehrgang herrscht und der Nähe zum Firmenhauptsitz in Duderstadt, sei eine Unterstützung von ottobock eine Selbstverständlichkeit. Der Prothesen- und Rollstuhlhersteller war es auch, die eine barrierefreie Übernachtung des sport grenzenlos Teams im Tabalugahaus in Duderstadt ermöglichte.

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Showkampf und 1000-Euro-Spende

Erstmals belohnte auch der Landessportbund Niedersachsen das in der Region einmalige Projekt. „Der LSB hat die Hälfte der Lehrgangskosten erstattet“, freut sich Alves, die einen Teilnehmerrekord verzeichnen konnte. „Mit 52 Spielerinnen und Spielern war der Lehrgang schon lange ausgebucht“, erklärt sie. Zum ersten Mal waren auch Vereine aus Braunschweig angereist. Zudem trainierten zehn Nachwuchsspieler des Bezirksstütztpunkts Lüneburg mit. „Das war unsere erste Erfahrung mit

Behindertensportlern“, schildert deren Trainer Ronny Quasdorf. Seine Schützlinge waren von Trainerkollege Joachim Voigt (Jugendwart des SC Weende) nach Göttingen eingeladen worden. „Ich finde es unheimlich wichtig, dass meine Spieler sehen, was mit viel Training alles möglich ist. Ich bin selbst sehr positiv von der Leistungsstärke des sport grenzenlos Teams überrascht“, bekennt der 35-Jährige.
Während des öffentlichen „Meet & Greet“ am Samstagnachmittag stellten die Nationalspieler vor rund 200 Zuschauern dann ihr Talent in einem Showmatch unter Beweis. Anschließend überreichte Tischtennisspieler Reinhard Henze aus Göttingen, der im vergangenen Jahr auf das Team aufmerksam wurde, eine 1000-Euro-Spende für das neue Förderprogramm von sport grenzenlos. „Ab sofort können Patenschaften für unsere Sportler übernommen werden, damit sie Weltcupturniere und Trainingslager selbstständiger finanzieren können“, erklärt der Initiator. Motiviert von der Spende Henzes, stockten die Göttinger Frauke Alves, Thomas Koch, Wilfried Schicktanz, Bernd Roloff sowie der Förderkreis der Weender Tischtennisabteilung diesen Betrag nochmals auf. „Das freut uns sehr unds ist ein toller Startschuss für das Fördersystem“, meinte Nikelis.
Angesprochen auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr erklärt er. „Wir möchten diese Tradition sehr gerne pflegen und haben bereits mit den Planungen für 2017 begonnen.“