Die Fußball-Welt ist schon wieder im Champions-League-Modus. Zwei rassige deutsch-englische Duelle zum Auftakt des dritten Spieltags haben dafür gesorgt, dass selbst das Phantom-Tor durch Leverkusens Stefan Kießling vom vergangenen Freitag im Bundesliga-Duell in Hoffenheim so langsam in den Hintergrund rücken darf. Es wurde ja auch mehr als genug darüber gesagt und geschrieben. Ich möchte ohnehin nicht überdramatisierte „Hingucker“ in den Mittelpunkt stellen. Wenn sich ein Jose Mourinho vor dem Champions-League Sieg seines FC Chelsea auf Schalke „wundert, dass ein so reiches und fortgeschrittenes Land wie Deutschland, immer noch keine Torlinien-Technik, oder andere technische Hilfsmittel erlaubt hat“ – Dann ist für mich das Grundlegendste zu dieser Causa gesagt.
Viel interessanter ist doch eigentlich, was Fußballtechnisch gerade in Wiesbaden los ist. Doch bevor jetzt alle denken, „hat der noch alle Tassen im Schrank“ und wegklicken.
Ja, ich weiß, Wiesbaden und seine Sportvereine geben sich in der Außendarstellung nicht die größte Mühe, um als „Sportstadt“ hervorzustechen. Zumindest wirkt es oftmals so.
Doch die Entlassung von Peter Vollmann als Cheftrainer beim SV Wehen Wiesbaden diesen Montag, könnte, wenn es gut läuft, eine weitreichende und vor allem positive Veränderung mit sich bringen. Doch der Reihe nach:
Die Verantwortlichen des SV Wehen-Wiesbaden haben eigentlich seit dem Aufstieg 2007 in die 2. Bundesliga und der damit verbundenen Fusion des aufstrebenden „Dorfvereins“ SV Wehen mit Wiesbaden Probleme, in der Landeshauptstadt anerkannt zu werden. Da wurde, um der Attraktion 2. Fußball-Bundesliga wegen, in kürzester Zeit ein Stadion hergezaubert, in dem 12.500 Menschen Platz finden könnten. Die Betonung liegt deutlich auf dem Konjunktiv. Außer gegen regionale Größen wie Mainz 05, den FCK, oder im DFB-Pokal, füllte sich das Stadion nur spärlich. Das auch die Stadt Wiesbaden für den Neubau gehörig geblecht hat, damals nur eine Randnotiz.
Blöd nur, dass es sportlich nicht wie gewünscht lief. Nach zwei Jahren war das Abenteuer 2. Liga beendet. Seitdem dümpelt der SV WW, als Gast in seiner eigenen Stadt, durch die neuformierte 3. Bundesliga. Die wurde vom DFB zur weiteren Professionalisierung des deutschen Fußball ins Leben gerufen, ist aber an Unattraktivität nicht mehr zu überbieten. Enorme Fixkosten für die Vereine auf der einen Seite, überstrahlen die zu niedrigen TV-Einnahmen auf der anderen Seite.
Trotz dieser denkbar schlechten Voraussetzungen und einem Zuschauerschnitt um die 3000, kann der Sportverein aufgrund eines zahlungskräftigen Wasser-Herstellers einen beachtlichen Spieler-Etat vorweisen. Der berechtigt, nein verpflichtet eigentlich jede Saison dazu, um den Aufstieg zu spielen.
Mittlerweile befindet sich der SV Wehen-Wiesbaden aber im fünften Jahr dritte Bundesliga. Der Aufstieg war selten Thema. Nach der Entlassung des charismatischen Italieners Gino Lettieri, im Februar 2012, der nach dem erfolgreichen Klassenerhalt im ersten Jahr, den Aufstieg zwei Mal verfehlte, standen die Weichen auf Neuanfang.
Ein Nachwuchsleistungszentrum, um das viele Zweitligisten die Wiesbadener beneiden und eine talentierte 2. Mannschaft waren gute Voraussetzungen, um die Durchlässigkeit junger, talentierter Spieler in den Profikader zu gewährleisten. Dies hatte sich der damalige Geschäftsführer und sportliche Leiter in Personalunion, Wolfgang Gräf, auf die Fahne geschrieben. Hungrige und talentierte Trainer standen damals auf dem Zettel. Einer von ihnen war der, in der Region anerkannte, Peter Neustädter, Vater des Nationalspielers Roman Neustädter. Fünf Jahre erfolgreiche Arbeit bei der 2. Mannschaft von Mainz 05 reichten den Verantwortlichen allerdings nicht als Arbeitsnachweis. Ein im Profigeschäft erfahrener Trainer sollte es werden. So fiel die Wahl auf Peter Vollmann, der davor bei Hansa Rostock beurlaubt worden war. Er sollte junge Spieler einbauen und für eine klare Spielidee sorgen
18 Monate später ist das Kapitel Peter Vollmann in Wiesbaden beendet. Auch der, von den Ergebnissen her, gute Saisonstart konnte die tiefer liegenden Probleme nicht kaschieren. Keine Durchlässigkeit junger Spieler in die 1. Mannschaft, keine Spielphilosophie. Gegenüber dem Wiesbadener Kurier hat SV WW-Präsident Markus Hankammer nun erklärt:
„Wir hatten einfach keinerlei Hoffnung mehr, dass Peter Vollmann unsere Philosophie mit voller Überzeugung mitgeht. Er hat trotz vieler Gespräche keine Einsicht und kein Verständnis gezeigt:“ Damit unterstützte er Aussagen des Sportdirektors Michael Feichtenbeiner. Dieser wurde übrigens im Dezember 2012 von Wolfgang Gräf eingestellt, der wiederum vor etwas über einem Monat zurückgetreten ist.
Personalentscheidungen ziehen sich also durch den kompletten Verein. Kontinuität sieht anders aus, wird aber dringend benötigt.
„Es soll in jedem Fall ein Trainer sein, der nicht nur am Wochenende Erfolge einfährt, sondern der unter der Woche auch Ausbilder ist. Einer, der offen und mutig unseren Weg verfolgt“, wird Feichtenbeiner heute im Wiesbadener Kurier zitiert.
Es wäre den Verantwortlichen des Vereins zu wünschen, dass sie mit ihrer Wahl ein glückliches Händchen beweisen. Einer wie Peter Neustädter wäre übrigens immer noch auf dem Markt. Dass Trainer ohne großen Namen erfolgreich arbeiten können, haben Markus Gisdol bei Hoffenheim oder Thomas Schneider beim VFB Stuttgart vorgemacht. Die Beiden leisten hervorragende Arbeit mit jungen Spielern, ohne vorher Erfahrungen im Profigeschäft gesammelt zu haben.
Wenn junge Trainer mit einer modernen und klaren Spielphilosophie in Deutschlands Eliteklasse erfolgreich arbeiten, warum dann nicht auch in der 3. Liga in Wiesbaden?
Im Übrigen sollten wir den Gisdols, Schneiders oder Streichs dieses Landes mal mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Zumindest mehr, als eine mediale Ausschlachtung des „Phantomtores“ eines Spielers, der wohl eine Jahrhundert-Chance für einen Fair-Play Preis hat liegen lassen.
Ach Mist, ich wollte dazu doch gar nichts schreiben. Dann widme ich mich mal dem zweiten Teil der Champions-League…
Mehr zur Trainerfrage beim SV Wehen-Wiesbaden:
http://www.wiesbadener-kurier.de/sport/lokalsport/fussball/13550194.htm